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Knapp am Herz vorbei

Knapp am Herz vorbei

Titel: Knapp am Herz vorbei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R. Moehringer
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Polizisten spielen, mögen wir gar nicht. Da verstehen wir keinen Spaß. Uns bedeutet die Polizeimarke nämlich was, verstehst du?
    Dicker Cop stapft ein paar Schritte durch den Raum und bleibt dann vor Sutton stehen. Dann zündet er endlich die Zigarre an. Was nicht in diesem
Roman
steht, sagt er, was Bassett offenbar nicht weiß und was du uns jetzt auf der Stelle sagen wirst, du Stück Scheiße aus Irish Town: Wo hast du das Geld von der Bank versteckt, und wer hat dir beim Verticken der Juwelen geholfen?
    Ich will einen Anwalt.
    Das sind die letzten verständlichen Worte, die Willie in den nächsten Tage von sich geben wird. Etwas Hartes trifft ihn an der Schädelbasis – ein Brett, eine Planke oder ein Vierkantholz. Sein Gesicht klatscht auf den Tisch, er verliert das Bewusstsein. Und dann ist er wieder ein Junge, der von einem verlassenen Pier in den Fluss springt. Hoch in die Luft fliegt er, so hoch, dass er bis in den Himmel taucht. Langsam, ganz langsam überschlägt er sich, taucht rückwärts durch das kalte schwarze Wasser ein. Er schlägt auf etwas Hartem auf. Jetzt zerrt ihn jemand an die Oberfläche, zurück auf den Pier. Happy. Und Eddie. Hey, Leute, wo bin ich da bloß gelandet? Wie kann ich mir diese Affen vom Hals schaffen? Eddie streckt die Hand aus und berührt Willies Schädelbasis. Sutty, du blutest ja. Nein, Willie streckt die Hand aus und berührt seine Schädelbasis. Seine Finger sind leuchtend rot und nass. Er blinzelt, versucht einen klaren Gedanken zu fassen.
    Schnapp ihn dir, Mike.
    Dicker Cop packt Willie an den Fußgelenken. Dickerer Cop packt Willie unter den Armen. Mühelos hieven sie ihn in die Luft, lassen ihn auf den Tisch fallen, mit dem Gesicht nach oben, wie einen Truthahn, den sie gleich tranchieren wollen. Dann eilen noch mehr Cops in den Raum. Willie hört Schreie, Flüche, während sie ihn an Schultern und Füßen festhalten und jemand anfängt, ihm mit einem Gummischlauch oder Autoschlauch auf den Bauch zu schlagen. Willie schließt die Augen und schreit.
Ich habe Rechte
. Sie stopfen ihm eine Art Knebel, der kein Knebel ist, in den Mund. Sie schlagen auf seine Beine, Oberschenkel, Schienbeine. Er spürt und hört eine Kniescheibe zersplittern. Er sieht die Frauen aus Irish Town, wie sie an den ersten warmen Maitagen Teppiche über Feuerleitern drapieren und klopfen, klopfen, und dann spürt er etwas unglaublich Heißes auf seinem bloßen Unterarm, wo die Adern hervortreten. Er versucht seinen Arm wegzureißen, aber es geht nicht, sie halten ihn zu fest. Er riecht seine versengte Haut und weiß, er weiß es einfach, dass es Dicker Cop mit seiner Zigarre war.
    Sie schlagen ihn in die Leiste. Mit einem Bowlingkegel oder einer indischen Keule. Direkt auf seinen Schwanz. Ach, Leute, nicht das. Er ist bewusstlos. Weg. Er ist zurück – der Gestank von versengtem Fleisch ist jetzt mit Copschweiß vermischt. Eine Stimme fragt, ob er bereit sei zu reden. Und ob er bereit ist. Er wird ihnen alles sagen. Er ist bereit, alles auszuspucken, zum Verräter zu werden, und das macht ihm mehr Angst als das, was als Nächstes kommen mag. Andere verpfeifen macht ihm mehr Angst als zu sterben, deshalb beißt er auf den Lappen oder Socken oder was sie ihm da in den Mund gesteckt haben, und schüttelt den Kopf hin und her, nein, nein, nein.
    Schweigen. Vielleicht ist es vorbei, denkt Willie. Vielleicht merken sie, dass er nicht zu knacken ist. Schwer atmend, schweißgebadet und mit geschlossen Augen spürt er, wie ihm Blut über das Gesicht läuft. Vielleicht.
    Dann hört er neue Stimmen im Raum, knackende Knöchel. Die neuen Stimmen fragen die alten Stimmen, wo denn das Problem liegt. Dann fangen sie an. Fäuste. Riesige. Trommeln auf seine Rippen ein. Die Boxchamps der Polizeiwache, schätzt Willie. Mittelgewichtler, so wie es sich anhört und anfühlt. Zumindest ein Halbschwergewicht. Willies Körper bietet ihnen ein gutes Trainingsfeld. Gerade, Seitwärtshaken, Nackenschläge. Jede brechende Rippe hört sich an, wie wenn Leinwand zerreißt. Der Schmerz. Er verzehrt ihn, löscht ihn aus. Sein Körper fühlt sich an wie aus feinem gesponnenem Glas, das die Cops unaufhörlich in kleinere und noch kleinere Splitter zerbrechen – wie kann nur immer noch mehr zerbrechen? Aber sie finden ständig ein neues, unversehrtes Stück und zertrümmern auch das. Noch nie hat er solchen Schmerz gespürt, und dennoch hat der Schmerz auch etwas Vertrautes. Wann hat er sich schon mal so gefühlt –

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