Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
einen Monat nach dem Tod des Apothekers statt.«
Gregor nickte langsam, als ihm klar wurde, dass die Kripo diese Informationen auch hätte haben können.
»So kommt man von einer Information zur nächsten«, fuhr Karpi fort. »Kontakte, Finanzen, Immobilien, seltsame Mordfälle und so weiter. Plötzlich war das Bild ziemlich klar. Also habe ich Katrin angerufen und ihr die ganze Geschichte im Schnelldurchgang erzählt.«
»Du musstest doch damit rechnen, dass sie selbst loszieht und sich in Gefahr begibt«, brummte Gregor.
Katrin verdrehte die Augen.
»Natürlich«, sagte Karpi. »Aber was hättest du an meiner Stelle getan?«
»Was hat eigentlich Susanne bei dir gewollt an dem Mittwoch, bevor sie ermordet wurde?«, fragte Katrin.
Astreines Ablenkungsmanöver, denn sie hatte mit Gregor schon stundenlang darüber gestritten, dass er schweigend im Knast gehockt hatte, um sie zu schützen, und sie nichts Besseres zu tun hatte, als Offermann persönlich zur Strecke zu bringen. Inzwischen hatte Katrin das Thema satt.
Karpi lachte. »Sie wollte Recherchen kaufen. Keine Ahnung, woher sie von meinem kleinen Nebenerwerb wusste. Vielleicht von diesem Bengel, dessen Oma neben ihr wohnte.«
»Recherchen kaufen?«, fragte Katrin. »Nebenerwerb? Habe ich da was verpasst?«
Gregor und Karpi grinsten sich an.
»Karpi hackt Computer«, sagte Gregor. »Professionell.«
Katrins Kinnlade fiel herunter.
»Alles ganz legal«, fügte Karpi hinzu. »Im Auftrag der Opfer. Wir suchen Sicherheitslücken, dokumentieren die Schwachstellen und flicken die Löcher.«
»Machst du dem Chaos Computer Club Konkurrenz?«, fragte Katrin.
Karpi nickte. »Keine Konkurrenz. Ich bin im Club ganz vorn dabei, aber anonym.«
Ich fragte mich, wie eine Gestalt wie Karpi irgendetwas anonym machen konnte, aber vermutlich trat er persönlich gar nicht in Erscheinung. Musste er ja nicht in einem Computerclub.
»Die Kids, die sich hier ihr Taschengeld aufbessern, glauben, dass mein Business total illegal ist. Die würden nie zum Club gehen, weil der inzwischen etabliert und fast ein bisschen spießig ist. Die reizt die Grenze zur Legalität oder auch der Schritt auf die andere Seite. Dadurch hab ich die Bengel unter Kontrolle.«
»Trotzdem ist es Kinderarbeit«, murmelte Katrin.
»Du glaubst nicht, wie clever diese kleinen Scheißerheute sind. Manche von denen überholen unsere Profis auf der Außenspur. Wir lernen Tricks von denen, die sie dir niemals verraten würden, wenn sie wüssten, auf welcher Seite du stehst. Aber so protzen sie mit ihrem Wissen, jeder will der größte Gangsta sein, und kaum haben sie sich wieder einen neuen Wurm ausgedacht, wird er von uns neutralisiert.«
»Dann bist du gar nicht kriminell?«, hauchte Katrin.
»Enttäuscht?«, fragte Karpi.
Katrin hatte ihr breites Grinsen wiedergefunden. »Ich fürchte, ich muss die Aussage verweigern.«
FÜNFUNDDREISSIG
24. Juli, knapp zwei Wochen nach der Geburt
Katrin, Gregor, Martin und Birgit saßen in der Küche und füllten sich mit Nudeln ab. Überhaupt aß Birgit, seit sie ihr Kind outgesourct hatte, praktisch nur noch Nudeln. Sie hätte da einiges aufzuholen, erklärte sie, dabei hatte sie neun Monate lang abwechselnd gegessen und geschlafen. Aber ich machte mir keine Sorgen um Birgit. Sie war noch ein bisschen moppelig, aber nicht fett, und ich vermutete, dass die Nudeln ohne Umweg über Birgits Magen oder Darm sofort in die Milchdrüsen geschleust und dort verflüssigt wurden. Sonja Katharina jedenfalls, denn das war der Name des stinkenden Lautsprechers, soff Milch wie ein Hummer Sprit. Und natürlich musste alles, was oben reinging, unten wieder raus, und so wechselten Martin und Birgit Windeln wie die Weltmeister. Ich suchte jedes Mal panisch das Weite, wenn wieder so ein Kacksack geöffnet wurde.
Jetzt allerdings war ich dabei, denn es war das erste Mal seit Sonjas Geburt, dass alle Beteiligten an einem Tisch saßen. Und das wollte ich mir nicht entgehen lassen, immerhin hatte es wochenlang so ausgesehen, als würde das nie wieder der Fall sein.
»… dass du einen kriminellen Hacker als Freund hast, der Kinder für sich arbeiten lässt, finde ich allerdings nicht in Ordnung, so sehr er in diesem Fall auch geholfen haben mag«, sabbelte Moralmartin missbilligend in Gregors Richtung.
»Karpi ist nicht kriminell«, korrigierte Katrin. »Nur dürfen die Kids das eben nicht erfahren, deshalb tut er so, als ob.«
»Und Weiz sitzt jetzt in Haft?«, fragte Birgit.
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