Knast oder Kühlfach: Roman (German Edition)
Beratung der Fernsehkrimis eher von den Gebrüdern Grimm zu stammen scheint.
Bevor die beiden zu einer Einigung kommen konnten, klingelte Martins Handy. Er hatte Bereitschaft und wurde zum Dienst gerufen. Er befahl Birgit – anders konnte man das wirklich nicht nennen –, keinen Unfug anzustellen, dann ging er.
SIEBZEHN
Birgit kam so gegen halb neun bei Karpi an. Eigentlich war es viel zu früh für einen Nachtclubbesuch, aber freitags bot das Karpi zwischen acht und zehn eine Happy-Cocktail-Hour. Entsprechend war das Publikum, das sich vor dem Eingang drängte. Der Türsteher machte seinen Job gut und ließ sich jeden Ausweis zeigen.
Als Birgit endlich an der Reihe war, wollte er sie durchwinken, aber Birgit lächelte ihn freundlich an, legte beide Hände auf den Bauch und fragte fröhlich: »Sehe ich so aus, als wollte ich Cocktails trinken?«
»Ob du wolltest, kann ich nicht sagen. Ob du solltest, ist eine andere Frage.«
Der Typ, der so schlagfertig dahersabbelte, sah aus, wie Rausschmeißer in Nachtclubs eben aussehen. Also groß, breit, spiegelnd blank polierte Glatze, schwarze Klamotten und Ziegenbart. Seine Augen konnte man hinter der verspiegelten Brille nicht sehen.
»Sind Sie Yuri?«, fragte Birgit.
Er schob sie zur Seite, winkte die aufgebitchten Perlhühner hinter ihr durch und tat dann so, als ob Birgit gar nicht mehr da wäre.
»Ich komme wegen Paulina.«
Der Fleischberg spielte weiter Holzindianer.
»Paulina wurde ermordet.«
Keine Reaktion.
»Die Kripo kommt bei den Ermittlungen nicht richtig weiter, weil der zuständige Ermittler gelinkt wurde. Ich will wissen, von wem.«
Keine Reaktion des Fleischberges.
»Der Ermittler ist mein Freund. Wenn Sie nicht Yuri sind, ist er Ihr Kollege, Paulina war seine Freundin. Wir alle brauchen Ihre Hilfe.«
»Abmarsch«, wollte ich Birgit zurufen, aber natürlich hörte sie mich nicht.
»Okay, wenn Sie mir nicht helfen wollen, rede ich noch mal mit Karpi.«
Birgit ging an dem Fleischberg vorbei in den Nachtclub und drängte sich durch die zuckenden und hüpfenden Gestalten zum Aufzug. Die Türen blieben zu.
Ich schaltete mich zurück zu dem Fleischberg, der sein Handy am Ohr hatte.
»… wegen Paulina«, sagte er gerade.
»Bullen?«, quäkte aus dem Lautsprecher.
»Nee. Die Freundin von einem Bullen, der gelinkt worden ist.«
»Wie bitte?«
»Mann, was weiß ich denn? Die Tussi ist schwanger und blond. Sagt dir das was?«
Schweigen am anderen Ende.
»Was ist, Yuri? Wann kommst du wieder? Es tut mir leid mit deiner Freundin, aber ich habe keinen Bock, das ganze Wochenende allein hier zu stehen. Wenn du nicht kommst, sag dem Boss Bescheid, damit er einen Ersatz sucht.«
»Ich denk drüber nach.«
Die Verbindung wurde getrennt.
Okay, das hatte noch nicht den gewünschten Erfolg gehabt. Ich überlegte noch, wie ich an Yuris Adresse kommen sollte, als der Fleischberg unter mir plötzlich in Bewegung geriet. Er hielt die ankommenden Hupfdohlen mit einer Handbewegung auf, verschwand im Club und schloss die Tür hinter sich. Vor der Tür regte sich lautstarker Protest, aber davon bekam die Spiegelbirne nichts mehr mit. Der Kerl walzte sich einen Weg durch die dunkle Höhle, tippte den Zugangscode in das Kästchen neben dem Aufzug und besuchte Karpi in seinem Kellerverlies.
»Boss, Yuri hat die Bullen am Sack.«
Aha, die Loyalität zum Geldgeber war größer als die zum Kollegen.
Karpi trug heute einen Satinanzug in kiwigrünem Schlangenledermuster. Kein Wunder, dass sein Türklopfer die Spiegelbrille nicht abnahm. Der Kerl hatte Angst, blind zu werden.
»Warum?«, nuschelte Karpi um den Strohhalm eines ebenfalls grellgrünen Drinks herum, der aussah wie das Zeug, das Ironman gegen seine Palladiumvergiftung trinken muss. Das Glas fasste mindestens einen Liter, und Karpi saugte mit einem einzigen Zug die Hälfte davon leer.
»Paulina.«
»Idiot«, nuschelte Karpi. »Die Pussy hat ihn verarscht.«
Der Fleischberg zuckte die Schultern.
»Geh wieder auf deinen Posten.«
Ich ließ den Fleischberg ziehen und wartete auf das, was Karpi nun tun würde, aber zunächst tat er eine ganze Zeit lang nichts. Dann endlich griff er zu einem seiner Festnetztelefone. Er hatte gerade angefangen eine Nummer zu wählen, als die Tür seines Büros wieder aufging. Birgit erschien auf der Schwelle.
So sehr ich Birgit mag – dieses Mal war ihr Timing einfach scheiße.
»Wie kommst du denn hierher?«, fragte Karpi seufzend.
»Ich suche Yuri.«
»Wie bist
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