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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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viel getrunken«, hat sie mal zu mir gesagt.
    Da habe ich erst kapiert, dass sie vor ein paar Monaten Witwe geworden ist. Ich dachte, sie wäre schon immer alleine gewesen.
    Also.
    Ich könnte natürlich mal nach dem Faller sehen.
    *
    Der Faller hat sich einen Sonnenschirm mitgebracht. Das finde ich gut. Das heißt, dass er noch nicht völlig den Verstand verloren hat. Ansonsten ist die Situation unverändert. Sitzt da, hat ’n Strohut auf, angelt.
    »Ich hab uns Fischbrötchen und Zigaretten mitgebracht«, sage ich.
    »Sind die Fischbrötchen kalt?«
    »Klar.«
    Ich halte ihm eins von den Brötchen hin.
    »Hm, Bismarck«, sagt er.
    Ich setze mich neben ihn auf die Mauer. Wir essen. Ich warte, bis er aufgegessen hat, bevor ich ihm erzähle, was wir gefunden haben.
    »Na, so was«, sagt er, holt die Angel ein und wirft sie wieder aus.
    »Mehr fällt Ihnen dazu nicht ein?«
    »Nö«, sagt er.
    »Interessiert Sie das gar nicht, was da los ist?«
    »Nö«, sagt er, »interessiert mich nicht.«
    »Find ich merkwürdig«, sage ich.
    »Ich nicht«, sagt er.
    Ende der Diskussion.
    Ich hole die Zigaretten aus der Tasche, zünde uns zwei an und gebe eine davon dem Faller. Wir rauchen. Die Angel bewegt sich nicht.
    »War der Heini vom Ordnungsamt eigentlich noch mal hier?«, frage ich.
    »Hat sich nicht mehr blicken lassen.«
    Der hellbraune Sonnenschirm, den der Faller sich aufgestellt hat, ist groß genug, um einen schmutzigen Schatten über uns beide zu werfen. Es ist, als würden wir in einem Kreis sitzen, der Hafen und Himmel verbindet, und ein paar Möwen nehmen wir auch noch mit. Fühlt sich an, als wäre es eine runde Sache. Mir kommt zum ersten Mal der Gedanke, dass der Faller vielleicht genau das Richtige tut. Vielleicht ist das alles völlig in Ordnung so. Das Rad erst mal anhalten. Die Bremse treten, wenn das Leben zu schnell unterwegs war. Pausentaste drücken. Mein Fehler war nur, zu glauben, das hätte der Faller schon getan, mit seiner Pensionierung. Aber in Rente zu gehen war eine Notwendigkeit. Der war durch mit der Bullerei. Das war nicht seine Entscheidung, dass das nicht mehr geht. Bei unserem letzten gemeinsamen Einsatz hätte er fast ins Gras gebissen. Und das Ding vor ein paar Jahren, als Hauptkommissar Faller sich viel zu tief in den Sumpf gewagt hat, das ist er ja auch nie losgeworden. Jetzt hier zu sitzen und zu angeln und aufs Wasser zu schauen und zu warten, bis seine alte Seele sich von den letzten dreißig Jahren erholt hat, ist vermutlich das Beste, was er tun kann. Der Leuchtturm ist ein guter Ort für so was. In der Nähe eines Leuchtturms ist immer Licht. Da kann man nicht verloren gehen.
    »Wissen Sie was, Faller«, sage ich, »wegen mir können Sie hier bis in alle Ewigkeit sitzen, wenn Ihnen das guttut.«
    Ich ziehe an meiner Zigarette.
    »Es tut Ihnen doch gut, oder?«
    Der Faller nickt, nimmt seinen Hut ab und wischt sich mit einem Taschentuch über den Kopf. Ich hab ihn lange nicht mehr ohne Hut gesehen. Sein Haar hatte immer einen Grauton. Seit ich ihn kenne, war das so. Die Schattierung hat sich natürlich im Laufe der Jahre geändert, aber es war immer grau. Jetzt ist es weiß. Ich bin mir nicht sicher, ob ihn das gemütlich oder weise oder einfach nur alt aussehen lässt.
    »Es ist ja so«, sagt er, »die kleinen Fische sind im Schwarm unterwegs, in der Gruppe. Die machen das, damit sie aufeinander aufpassen können, zu mehreren kann man sich besser wehren, und man schwimmt auch nicht so leicht in die falsche Richtung.«
    Er wedelt mit dem Hut vor seinem Gesicht rum, das soll wohl Abkühlung bringen.
    »Andere Fische, die Raubfische, schwimmen allein.«
    Er setzt den Hut zurück auf seinen Kopf, holt seine Angel ein und wirft sie wieder aus.
    »Und dann«, sagt er, »gibt es die Fische, die aus der Kurve geflogen sind, die ihren Schwarm verloren haben. Die wissen nicht mehr so genau, wo’s eigentlich langgeht. Und damit sie nicht aus Versehen einem Raubfisch über den Weg laufen, suchen sie sich ein geschütztes Plätzchen und warten in aller Ruhe. Sie warten, bis ihr Schwarm zufällig wieder vorbeikommt. Oder irgendeiner, dem sie sich anschließen können. Oder sie warten auf was ganz anderes, von dem sie selbst noch nicht wissen, was das ist.«
    Der Blinker seiner Angel plitschert im Wasser zu unseren Füßen.
    »Wäre schön, wenn heute Abend Sportschau laufen würde«, sage ich.
    »Ja«, sagt er, »das wäre schön.«
    Aber die Bundesliga macht ja leider gerade Pause. Was der

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