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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Faller kann, können die natürlich schon lange.
    *
    Ich hab die erstbeste Barkasse genommen. Mir war ein bisschen wackelig nach der Fabel vom Faller. Ich weiß nicht, um wen es ging. Ob er sich meinte oder mich. Oder ob der alte Mann einfach nur spinnt. Auf jeden Fall stand ich plötzlich nicht mehr besonders sicher. Und dann hilft es ja immer, den festen Boden unter den Füßen einfach aufzugeben und gegen ein paar Schiffsplanken einzutauschen. Wenn der Untergrund schwankt, fällt einem die eigene Instabilität nicht mehr so auf.
    Ich sitze auf der schmalen Holzbank am Heck und schaukele durch den Hafen. Neben mir sitzt ein Punk. Er ist noch sehr jung, aber er ist echt. Nicht so ein Modepüppchen wie diese kleinen Anziehpunks, die man jetzt sooft sieht. Er riecht nach Bier und schwarzem Tabak, er ist wahnsinnig dünn, und seine Hose ist so schmutzig, die könnte alleine stehen. Seine Doc Martens haben Löcher, und den Schneidezahn hat er vermutlich vor gar nicht langer Zeit verloren. Der Junge wirkt angeschlagen, aber er scheint guter Dinge zu sein.
    Es ist Nachmittag, und die Sonne kriegt langsam diese mütterliche Farbe. Wir schippern an der Hafenstraße entlang. Sankt Pauli glitzert bunt in den goldblauen Himmel. Der Kapitän hat Musik laufen, so eine Art Bossa nova. Ich glaube, die Barkasse schwankt im Takt.
    Der kleine Punk lässt einen Seufzer über die Reling fallen, und ich sehe eine Träne in seinem Gesicht, aber ich sehe auch das Lächeln, und dann sagt er:
    »Mein Gott, ist diese Stadt schön.«
    Ich muss uns auf der Stelle zwei Bier besorgen.

Zick dich doch
    H alleluja, sie isst wieder. Zwei Tage hat sie nur geschlafen, zwei Tage hat sie nur Bier getrunken und Zigaretten geraucht, jetzt sitzt sie mit mir in einem Hauseingang in meiner Straße in der Sonne und stippt ein Hörnchen in ihren Kaffee.
    Sie sieht fast wieder normal aus. Das Veilchen auf ihrem linken Auge glimmt noch in Lila und Grün, aber nur ganz schwach. Man sieht es kaum noch. Die Wunden in ihrem Gesicht sind fast verheilt. Ihre dunkelbraunen Haare sind gewaschen und glänzen wieder. Aber sie trägt kein Kleid. Sie hat sich von Klatsche ein T-Shirt geliehen, irgend so ein Musikdings, von irgendeiner Band, von irgendeiner Tour. Auf ihrem Rücken stehen Tourdaten von 1998. Die Jeans hat sie von mir, die ist viel zu lang für sie. Sie musste sie ein paarmal hochkrempeln.
    »Ich werde mir morgen ein paar Hosen kaufen«, sagt sie und kaut. »In Hosen fühlt man sich ja viel sicherer.«
    Sie nimmt einen Schluck Kaffee. »Deshalb trägst du immer Hosen, oder?«
    »Weiß ich gar nicht«, sage ich, »vielleicht. Ich hab noch nie was anderes getragen.«
    »Ich hol mir noch eins von den Croissants hier«, sagt sie, steht auf, und klopft sich den Staub von den Beinen. »Willst du auch noch eins?«
    »Nein«, sage ich, »danke«, und ich sehe ihr nach, wie sie vorsichtig nach links und rechts schaut, bevor sie über die Straße läuft, und wie sie die Tür zum Kandie Shop nur einen Spalt aufmacht und sich schnell nach innen verzieht, so als würde sie sich von irgendwem beobachtet fühlen. Sie hat ihren Leichtsinn verloren. Und sie hat bei alldem nicht ein einziges Mal mit dem Hintern gewackelt.
    Diese verfluchten Wichser. Ich könnte denen auf der Stelle das Fell über die Ohren ziehen.
    Ich setze meine Sonnenbrille auf und zünde mir eine Zigarette an. Es fühlt sich an, als hätte es schon wieder fast dreißig Grad. Es ist noch nicht mal Mittag.
    »Hey«, sagt Klatsche.
    Er steht plötzlich vor mir.
    »Hey«, sage ich.
    Er beugt sich zu mir runter und gibt mir einen Kuss auf die Stirn.
    »Wo ist Carla?«
    »Holt sich ein Hörnchen«, sage ich.
    »Zum Essen?«, fragt er.
    »Zum Schachspielen«, sage ich.
    »Was bist ’n du so zickig?«
    Weiß ich auch nicht.
    »Entschuldige«, sage ich.
    Er zuckt mit den Schultern, klettert auf die Stufen hinter mir und lässt sich da drauffallen. Ich reiche ihm eine Zigarette und meinen Kaffee nach hinten.
    »Danke, Baby«, sagt er. Und eine Oktave höher: »Nenn mich nicht Baby!«
    Oh Mann.
    Carla kommt zurück, sie hat ein Croissant und einen frischen Kaffee in der Hand.
    »Na, Digger«, sagt sie, als sie Klatsche sieht.
    »Na, Baby«, sagt Klatsche.
    Ach so. Andere heißen auch mit zweitem Namen Baby. Wusste ich gar nicht.
    »Puh«, sagt Carla, als sie sich neben mich setzt, »ich muss echt dringend wieder essen. Mir ist ganz mau in der Birne.«
    »Sollen wir was essen gehen?«, frage ich.
    »Keine Zeit«,

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