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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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waren nicht abgehauen. Sie hatten sich in der Herrentoilette eingeschlossen, und sie hatte das nicht mitgekriegt.
    Sie haben sie in den Keller gezerrt. Und während einer ihr eine abgebrochene Weinflasche an die Kehle hielt, hat sich der andere über sie hergemacht. Immer schön abwechselnd. Es ging bis kurz vor Mitternacht. Carla hat den Michel läuten hören, als die Typen sich aus dem Staub machten. Die haben sie insgesamt siebenmal vergewaltigt.
    »Was danach war, habe ich vergessen«, sagt sie.
    Sie sitzt kerzengerade da, vorne auf der Stuhlkante, und hat die Beine übereinandergeschlagen. Sie könnte sofort aufspringen und gehen. Wie ein Tiger. Die Papiertaschentücher, die die Kollegin bereitgelegt hat, hat sie mit Verachtung gestraft.
    »Sie wissen nicht mehr, wie Sie aus dem Keller rausgekommen sind?«
    »Ich schätze, auf allen vieren«, sagt Carla, trocken wie eine Scheibe Toastbrot.
    Die Kollegin kratzt sich mit ihrem Bleistift den Scheitel.
    »Und jetzt?«, fragt Carla. »Bauen wir Phantombilder?«
    Die Kollegin nickt. Sie findet Carlas Verhalten offensichtlich völlig normal. Vielleicht ist das auch normal, vielleicht erstarren die Menschen, wenn ihnen Gewalt angetan wurde. Aber gerade bei Carla finde ich das höchst merkwürdig. So eine Coolness passt überhaupt nicht zu ihr.
    Ich versuche, ihren Blick einzufangen, aber es gelingt mir nicht. Erst als sie mit der Kollegin das Büro verlässt, schaut sie mich kurz an. Aus ihren Augen ist jeglicher Glanz verschwunden. Sie sieht aus wie ein Zombie.
    »Carla«, sage ich, »ich will mal eben bei meinen Kollegen vorbei. Rufst du mich an, wenn du hier durch bist? Dann hol ich dich ab, okay?«
    Sie antwortet nicht.
    Die Beamtin sagt: »Ich geb Ihnen Bescheid.«
    *
    Der Brückner und der Schulle kommen mir auf dem Flur entgegen, mit fliegenden Fahnen. Noch bevor ich fragen kann, was los ist, sagt der Brückner: »Zweites Paket, Chef. Wieder in der Billwerder Bucht.«
    »Jetzt wird’s heiß«, sage ich.
    »Kommen Sie mit?«, fragt der Schulle, im Laufen.
    »Klar«, sage ich.
    Ich hefte mich den beiden an die Fersen in Richtung Tiefgarage, hole mein Telefon raus und rufe Carla an. Sie geht nicht ran. Ich rufe in der Zentrale an und lasse mich zu der Kommissarin durchstellen, die Carlas Aussage aufgenommen hat.
    »Ihre Freundin ist schon weg«, sagt die. »Sie hat mich gebeten, Sie nicht anzurufen.«
    »Aha«, sage ich.
    »Ich hatte den Eindruck, dass sie allein sein wollte«, sagt die Beamtin.
    Okay, Carla. Dann ist das wohl so.
    Der Einzelkämpfer ist ja eigentlich eher mein Job.
    *
    Ich glaube, der Baggerführer ist richtig stolz auf seinen Fund. Ist ja auch immerhin das zweite aufsehenerregende Päckchen innerhalb von drei Tagen, das er da aus dem Wasser gezogen hat. Er lehnt am Streifenwagen neben einem der beiden uniformierten Kollegen und grinst überheblich, seine olle Karnevalskapitänsmütze klebt ordentlich angeschwitzt auf seinem Kopf, und sein nackter Bauch glänzt in der Sonne.
    Der Schulle parkt den Wagen und sieht den Brückner und mich sparsam an. Der hat keinen Bock auf das Paket. Ich hab keinen Bock auf den dicken Mann.
    »Sie den Baggerführer, wir die Wasserleiche?«, frage ich.
    »Danke«, sagt er.
    »Da nich für«, sagt der Brückner.
    Wir steigen aus. Mir brennt die Sonne auf den Scheitel. Auf der Kaimauer steht eine uniformierte Beamtin und bewacht das schlammverkrustete Paket. Der Brückner löst sie ab und sieht sich das Ding schon mal genauer an, ohne es anzufassen. Ich bleibe ein bisschen abseits stehen und kucke, ob mir irgendwas auffällt, ob irgendwas anders ist als am Dienstag. Aber da ist nichts. Die Spurensicherung wollte direkt von einem anderen Tatort zur Billwerder Bucht kommen. Jetzt stehen sie im Elbtunnel im Stau, die Idioten. Wer fährt denn auch durch den Elbtunnel. Die Polizistin kommt zu mir rüber. Wir sagen Hallo, und ich zünde mir eine Zigarette an.
    »Wollen Sie auch eine?«
    »Danke«, sagt sie, »ich versuche gerade aufzuhören.«
    »Oh«, sage ich. »Wie läuft’s?«
    »Es ist die Hölle«, sagt sie.
    Außer dem Schulle, der mit dem dicken Zeugen zu tun hat, stehen wir alle rum wie bestellt und nicht abgeholt. Blöde Spurensicherung.
    »Das Paket ist ja ziemlich ordentlich verpackt«, sagt die Kollegin, »finden Sie nicht?«
    »Hab ich mir auch gerade gedacht«, sage ich. »Das sieht man schon von weitem, oder?«
    »So packt meine Mutter Pakete«, sagt sie.
    Ich hab keine Ahnung, wie meine Mutter Pakete packt,

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