Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
aber ich hab auch eher das Gefühl, dass dieses Paket hier kein Mann eingewickelt hat. Die Seiten des schwarzen Müllsacks sind fein säuberlich eingeschlagen, und das Paketband ist akkurat im rechten Winkel verklebt. Ist mir beim letzten Paket gar nicht so aufgefallen, aber da hatte ja auch schon der Herr Schmierbauch seine Finger dran gehabt.
»Finde ich merkwürdig«, sagt sie. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau so was tut, einen Menschen zerstückeln.«
»Vielleicht ist da ein Pärchen am Start«, sage ich.
»Ein Typ und seine bezaubernde Assistentin?«
Sie kuckt frech vor sich hin, als sie das sagt, und ich muss ein bisschen grinsen. Komisch, angesichts der Lage. Ich meine, normalerweise kippe ich bei solchen Geschichten doch aus den Latschen. Zerstückeln, verstümmeln, gehackt legen. Das ist nicht gerade meine Baustelle. Das nimmt mich meistens ziemlich mit. Aber irgendwie geht mich das diesmal alles nicht so richtig was an. Der Kollegin scheint es ähnlich zu gehen. Als wäre es uns völlig egal, was da in diesem Paket ist. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, warum das so ist.
*
Zwanzig Minuten später ist unsere tolle Spurensicherung endlich da. Sie haben natürlich sofort alles abgeriegelt. Der Schulle ist mit dem Baggerführer zugange, und der Brückner und ich warten darauf, dass die KTU am Paket das Skalpell ansetzt. Dafür ist der Oberfuzzi Hollerieth höchstpersönlich zuständig. Der Chef unserer Spurenabteilung ist selbstverständlich wieder extra vorwurfsvoll drauf. Die fleischgewordene schlechte Laune. Wenn der nur einmal sagen würde, was ihn eigentlich so sauer auf uns alle macht, dann wüsste man zumindest, weshalb man sich immer so rasend schuldig fühlt, sobald er in der Nähe ist.
»Dann wollen wir mal«, sagt er, und dabei sieht er den Brückner und mich an, als hätten wir die Tafel nicht gewischt.
Er setzt sein Teppichmesser an und schlitzt den schwarzen Müllsack auf. Zuerst sehe ich den einen Fuß, dann den anderen. Dann eine Hand und dann ein Gesicht. Schnurrbart, kurze aschblonde Haare, fliehende Stirn, längliche Kopfform. Ich weiß nicht, woher plötzlich dieser Satz kommt, der jetzt pausenlos durch mein Gehirn rattert; wie das passieren kann, dass ich so was denke. Es ist ein gemeiner Satz. Was soll’s, wieder ein hässlicher Vogel weniger auf dieser Welt.
»Chef?«
Der Brückner tippt mir mit dem Zeigefinger auf den Oberarm.
»Äh, ja«, sage ich, »was?«
Der Brückner hat offensichtlich was gesagt, und ich hab’s nicht gehört. Zumindest sieht er mich so an, als hätte er was gesagt. Er sagt es noch mal:
»Ich fordere die Taucher an, okay?«
»Klar«, sage ich, »natürlich, die Taucher.«
Ich reibe mir über die Augen und bin wieder bei mir.
»Die sollen hier das ganze Hafenbecken umgraben, bis hinter zum Holzhafen. Ich will nicht, dass der Baggerheini morgen das nächste Paket findet. Sonst steht der übermorgen im Präsidium auf der Platte und will bei uns anfangen.«
»Herrje«, sagt der Brückner und schaut über meine Schulter, und ich drehe mich um, und dann sehe ich es auch. Da hinten rückt mit quietschenden Reifen und Blaulicht auf dem Kopf die Presse an.
Sommerfußball
E s ist Samstag, und es ist wie sooft am Wochenende. Ich weiß nichts mit mir anzufangen. Wäre das jeden Tag so, hätte ich nicht unter der Woche meine Arbeit, wäre ich längst tot. Normalerweise würde ich jetzt zu Carla ins Café gehen und da ein bisschen rumhängen. Aber Carlas Café ist zu. Weil Carla zuhat, oder so was Ähnliches wie zu. Klatsche ist auch nicht da. Der ist heute Morgen ganz früh mit Carla an die See gefahren, damit sie auf andere Gedanken kommt. Ich hätte da natürlich mitfahren können, es soll auch schon wieder heiß werden heute, aber ich warte auf Anrufe. Der Brückner und der Schulle waren gestern unterwegs, das Umfeld von Dejan Pantelic auseinandernehmen. Und die Taucher flöhen seit Sonnenaufgang weiter die Billwerder Bucht. Falls die was finden, will ich so schnell wie möglich zur Stelle sein.
Am Fenster gegenüber hängen Babyklamotten. Winzige Kleidchen und Pullis, aus quietschbonbonbunter Wolle gestrickt. In der Wohnung wohnt eine dicke Frau mit einer grauen Dauerwelle, sie wohnt da alleine, und sie strickt die Sachen. Die Neuigkeiten hängt sie dann an ihrer Gardine auf, für wen, weiß nur der alte Hamburger Himmel. Sie selbst sitzt hinter dem Vorhang. Manchmal weint sie. Sie denkt, man sieht das nicht.
»Mein Mann hat ja so
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