Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
Vom Netzwerk:
sagt sie.
    »Was haste denn vor?«
    »Mein Café wieder aufmachen«, sagt sie. »Bis heute Abend muss der Laden startklar sein.«
    »Carla«, sage ich, »ist das nicht …«
    »Lass sie«, sagt Klatsche leise, »lass sie einfach mal machen.«
    »Genau«, sagt sie, »lass mich. Ich darf dich nie bemuttern. Jetzt versuch du das nicht bei mir.«
    Ich sollte für den Rest des Tages wohl besser die Schnauze halten.
    *
    Ich wusste nicht, wohin mit mir, vorhin alleine in meiner Wohnung, der Abend fiel vom Himmel, keiner war da, und da bin ich in der Bar Morphine gelandet. Die Morphine ist ein elender Elektrobunker. Ein Betonsarg in einem Keller unter der Reeperbahn. Es ist laut und knallhart in der Morphine, es gibt Nebel und Leute dicht an dicht, der Alkohol wird getrunken und sofort wieder ausgeschwitzt, und dann tropft er einfach von der Decke. In der Morphine werden sogar die Haare besoffen.
    Ich stehe in einer Ecke in der Nähe der Theke, das weiß ich, auch wenn ich sie nicht sehen kann. Ich kann sie fühlen. Ich habe ein großes Glas Gin Tonic in der Hand. Ich muss nachdenken.
    Carla geht’s nicht gut. Jemand muss sich um sie kümmern. Klatsche macht das. Das ist okay. Das ist schon okay. Oder? Ich weiß nicht. Mich macht das nervös, diese ganze Sache macht mich nervös. Ich hab das Gefühl, wir rutschen voneinander weg, und je mehr wir das tun, desto mehr kippe ich auch mit Klatsche in eine merkwürdige Schieflage. Irgendwie zerspringt unsere Freundschaftskiste. Zumindest sehe ich da irritierende kleine Risse.
    Aber mir geht’s ja gut. Ich bin ja weder vergewaltigt worden noch sonst was.
    Ich darf mich nicht beschweren.
    Und dann sind da auch diese Leichenteile, mit denen ich so überhaupt nichts anfangen kann. Das hatte ich noch nie, dass mir die Toten egal sind, dass es mich nicht interessiert, wer sie waren und warum sie sterben mussten.
    Mir ist, als wäre ich in allem, was ich tue, neben der Spur. Als würde ich ständig versuchen, einen Fuß auf den Boden zu stellen, doch dann komme ich nicht dazu, weil ich entweder abgelenkt bin oder der verfluchte Boden wegrutscht. Irgendwie stehe ich komplett am Rand, und ich weiß nicht mal, an welchem.
    Ich nehme einen Schluck von meiner Gin-Medizin und mache die Augen zu. Die Blitze der Lichtanlage dringen durch den Nebel und meine Lider bis zu meinen Pupillen. Und die Bässe drehen sich in meinem Bauch. Wumm, wumm, wumm.
    »Na? Du?«
    Vor mir steht ein Typ in einer zu großen Lederjacke. Er hat eine Zigarette im Mundwinkel und grinst mich blöde an. Ich wusste nicht, dass die hier solche Spacken reinlassen.
    »Kennen wir uns?«, frage ich.
    »Nee, aber …«
    »Warum duzen Sie mich dann?«, frage ich.
    »Weil du und ich noch eine Menge Spaß miteinander haben könnten«, sagt er. »Schatzi.«
    Ich trete ihm vors Schienbein, verzichte darauf, ihm noch links und rechts eine zu ballern, trinke meinen Gin Tonic aus, gehe nach Hause und denke darüber nach, ob ich eine Möglichkeit habe, den Laden schließen zu lassen. Unverschämtheit, so was.
    Morgen kommt der Calabretta wieder. Gott sei’s getrommelt und gepfiffen.

Es war an einem Sonntag. Sie saß in ihrem Kinderzimmer und spielte mit den Barbiepuppen Hochzeit. Die Barbies heirateten untereinander, die Blonde heiratete die Dunkelhaarige, und die Ballerina heiratete auch gleich mit. Einen Bräutigam gab es nicht, sie hatte ja keinen Ken. Nur einen Big Jim, den hatte sie von ihrem Cousin geerbt. Aber Big Jim ging beim besten Willen nicht vor den Altar, mit seinem Lendenschurz und seinem dummen Gesicht und seinem blöden Hitlergrußarm.
    Die Hochzeitskleider für die Barbies hatte sie aus Papier gebastelt. Die hielten nicht richtig, die fielen dauernd ab, aber das machte nichts. In ihrer Vorstellung waren das rauschende, knisternde Roben.
    Die Erwachsenen waren nebenan im Wohnzimmer. Ihre Eltern hatten Besuch. Ein Kollege von ihrem Vater. Sie mochte den Mann nicht. Er roch nach Schweiß, er hatte immer so Spuckefäden in den Mundwinkeln, und er nahm sie manchmal auf den Schoß, obwohl sie das gar nicht wollte. Er machte das einfach.
    Sie hörte, wie der Kollege aufs Klo ging. Sie hörte ihn pinkeln, sie hörte die Spülung, aber den Wasserhahn, den hörte sie nicht. Igitt, dachte sie, der hat sich nicht die Hände gewaschen. Und dann stand er plötzlich in ihrem Zimmer. Sie ärgerte sich, dass sie ihre Zimmertür nicht zugemacht hatte. Er beugte sich zu ihr runter und strich ihr übers Haar. Sie hielt die Luft

Weitere Kostenlose Bücher