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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Er ist ein guter Typ. Übernimmt immer hoffnungslose Fälle von armen Leuten. Und manche von denen haut er tatsächlich raus, weil er nicht nur ein netter, sondern auch noch ein guter Anwalt ist. Was ich aber wirklich unglaublich finde, ist, dass er sich nicht mal darüber ärgert, dass seine Mandanten ihn nie bezahlen können. Ich glaube, der Mann ist einer der letzten lebenden Menschenfreunde. Solche wie der werden eigentlich nicht mehr gebaut.
    »Seit wann können Sie sich ein Telefon leisten?«, frage ich.
    »Bitte schön, Frau Staatsanwältin«, sagt er, »hier ist Beweisstück A.«
    Er zieht ein unglaublich verbeultes altes Nokiateil aus seiner Hosentasche. Auch die werden schon lange nicht mehr gebaut.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    »Klar«, sage ich.
    Er stellt ein Tablett vor sich auf den Tisch und setzt sich.
    Auf dem Tablett steht ein Becher Vollmilchjoghurt, daneben liegt ein Löffel. Sonst nichts. Ich hab das schon mal beobachtet, dass er immer so wenig isst. Ich glaube, er kann sich wirklich nicht mehr leisten.
    »Ich spare immer noch auf das Abendessen mit Ihnen«, sagt er und grinst. Er weiß genau, was ich denke, der Schlaumeier.
    Er versucht seit Jahren, mit mir essen zu gehen. Und ich kneife seit Jahren. Ich bin einfach nicht der Typ, der sich zum Essen einladen lässt.
    Er reißt mit einer entschlossenen Bewegung die Aluminiumfolie von seinem Joghurtbecher, taucht seinen Löffel ein und isst, als wäre es ein vorzüglicher Wildschweinbraten. Das hat was von Peter Pan. Und wie ich ihn da so sitzen sehe, mit seinen knochigen Schultern in seinem weißen Hemd, mit seinen raspelkurzen dunklen Haaren und den gutmütigen, intelligenten Augen, denke ich: Vielleicht bin ich ja doch der Typ, der sich zum Essen einladen lässt. Vielleicht tut dieses verflixte Bild in meinem Kopf auch nicht mehr so weh, wenn ich mit dem Anwalt essen gehe. Das Bild von gestern Abend, von Klatsche und dem Mädchen. Ich weiß ja, dass er die Finger ab und zu mal an einer anderen hat, aber irgendwie ist es diesmal schlimmer als sonst. Außerdem hab ich’s noch nie gesehen.
    »Haben Sie das Geld denn inzwischen zusammen?«, frage ich.
    »Ich kann jederzeit einen Kumpel anpumpen«, sagt er.
    »Okay«, sage ich.
    »Okay?«, fragt er. »Okay, wir gehen essen?«
    Ich nicke.
    »Sie können Ihrem Kumpel Bescheid sagen, dass er die Kohle rausrücken soll.«
    »Ich hol Sie heute Abend um acht ab«, sagt er.
    Nägel mit Köpfen. Nicht schlecht.
    »In Ordnung«, sage ich, »um acht.«
    Dann stehe ich auf und versuche es noch mal beim Calabretta. Er geht schon wieder nicht ran.
    *
    Heute Mittag hatte ich mich noch auf das Abendessen mit dem Anwalt gefreut, und auch vorhin, als er mich zu Hause abgeholt hat, war ich guter Dinge. Warum sollte ich nicht mal einen netten Abend mit einem netten Mann verbringen? Jetzt weiß ich wieder, warum nicht: Das geht einfach immer so was von schief.
    Ich kann nicht glauben, in was für einen abartigen Schuppen mich der Anwalt geschleppt hat. Ich kenne das Ding. Aber ich kenne es nur von außen, so wie alle Sankt-Paulianer. Kein Kiezmensch würde hier freiwillig einen Fuß reinsetzen. Der Laden ist ein Fremdkörper, ein Aggressor, vielleicht sogar ein Parasit. Profitiert vom Charme des Viertels, macht seine Umgebung aber allein durch seine Anwesenheit kaputt. Die Kiezbewohner haben das Ding schon gehasst, als noch nicht mal wirklich die Rede davon war, das alte Fabrikgelände zum schicken Restaurant umzubauen. Schon die Idee, da überhaupt was mit Geld reinzumachen, war einfach zu posh. Ich schäme mich richtig dafür, dass ich hier bin. Hoffentlich sieht mich keiner.
    Wir sitzen an einem weißen, quadratischen Tisch in einer Nische, das ist so eine Art weiße Welle aus Plexiglas, und über uns hängt ein gigantischer, cremefarbener Apparat, halb Stofflampe, halb Plastikgebärmutter. Spendet kein Licht, dafür aber angeblich Atmosphäre. Ich kann nichts erkennen. Ich sitze stocksteif wie Brokkoli auf meinem Stuhl, starre abwechselnd den Anwalt und die düsteren Rotklinkerwände an und weiß nicht, was ich sagen soll.
    »Hallo, ich bin Jason, und ich kümmere mich heute Abend um Sie.«
    Jasons schwarzes Hemd ist so eng, dass es in Brusthöhe an der Knopfleiste spannt. Und es glänzt. So wie seine Haare, seine Fingernägel und sein Gesicht. Ich mag Jason nicht. Jason soll weggehen und nicht wiederkommen.
    »Danke, Jason«, sagt der Anwalt, nimmt die Speisekarten in Empfang, legt sie zur Seite und sieht

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