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Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)

Titel: Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Buchholz
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Faller sitzt an seinem Leuchtturm und schaut aufs Wasser. Vielleicht liegt es daran, dass die Stimmung so still ist – die sehen aus wie in einem Bild von Caspar David Friedrich, der Turm und der Mann. Nachdenkliche, absolut deutsche Romantik. Die kleine Landzunge aus Beton, die ins Hafenbecken ragt, fast noch mitten in der Innenstadt, in Spuckweite zum Michel und den anderen Kirchtürmen. Die Barkassen, die an den Landungsbrücken schräg gegenüber auf dem spiegelglatten Wasser liegen. Der felshafte Kaispeicher aus rotem Klinker. Der Freihafen im Hintergrund, mit den Werften und Docks, schwarz, international und rostig. Und vorne auf der Spitze der Landzunge steht der rot-weiß geringelte Leuchtturm, nicht mal zwei Männer hoch. Zu seinen Füßen: der alte Mann und die Elbe. So ist das seit Monaten, immer das gleiche Bild. Manchmal, wenn das Wetter wild ist, sieht das Bild aus, als würde gleich ein Windjammer ums Eck segeln. Manchmal, wenn die Sonne scheint und alles in Technicolor blinkt, könnte es ein altes Filmplakat mit Hans Albers sein. Und manchmal, an so leisen Tagen wie heute, sind es eben die Kreidefelsen.
    Der Faller angelt nicht. Er hört Musik. Er hat einen tragbaren CD-Player neben sich liegen und große silberne Kopfhörer auf den Ohren. Sein Strohhut liegt neben dem Gerät. Aus der Nähe sieht er nicht mehr aus wie eine romantische Figur. Er sieht aus wie ein in einer Raum-Zeit-Schleife gealterter DJ.
    »Hey«, sage ich.
    Er reagiert nicht. Ich tippe ihm auf die Schulter. Er nimmt die Kopfhörer ab und sieht mich kurz an, dann schaut er wieder aufs Wasser.
    »Chastity«, sagt er, und seine Stimme ist so klar und ruhig, als hätte er heute morgen einen Buddha gefrühstückt.
    »Wie geht’s Ihnen?«, frage ich.
    »Gut«, sagt er, »mir geht’s gut.«
    »Angeln Sie nicht mehr?«, frage ich.
    »Angele ich noch?«, fragt er zurück.
    »Nein«, sage ich.
    »Na also«, sagt er.
    Ich setze mich neben ihn auf die Kaimauer. Auch die Hafengeräusche sind heute ungewöhnlich klar. Ganz links ein Puckern, links ein Hämmern, halblinks ein Horn. Da vermischt sich nichts.
    »Was hören Sie denn da?«, frage ich.
    Er nimmt die Kopfhörer von seinem Schoß und setzt sie mir auf. Hört sich an wie U-Boot-Geräusche.
    »U-Boot-Geräusche?«, frage ich.
    »Walgesänge«, sagt der Faller. »Ich hab auch noch Vogelstimmen dabei. Möchten Sie die auch mal hören?«
    »Nein«, sage ich, »danke.«
    Ich gebe ihm den Kopfhörer zurück. Aha. Der Faller hört jetzt also Walgesänge. Wenn’s die Seele beruhigt – bitte. Ich hab ja beschlossen, mich da nicht mehr einzumischen. Der Faller wird wissen, was gut für ihn ist. Er lächelt mich an.
    »Wir haben schon wieder einen toten Mann«, sage ich.
    »Eine ganze Leiche?«, fragt er. »In einem Stück?«
    Ich nicke.
    »Aber Herr Borger geht vom selben Täter aus«, sage ich, »beziehungsweise von den beiden selben Tätern. Er meint, die wären zu zweit.«
    »Hm«, sagt der Faller. »Dann legen die Ladys aber eine ganz ordentliche Taktung vor.«
    »Ladys?«, frage ich. »Wie kommen Sie darauf, dass wir es mit Frauen zu tun haben?«
    »Näschen«, sagt er und tippt sich an die Nasenspitze. »Bin mir fast sicher.«
    »Warum?«, frage ich. »Weil es Männer sind, die sterben?«
    »Keine Ahnung«, sagt er, »vielleicht. Aber ich würde mein altes angeranztes Herz dafür verwetten.«
    Er sieht mich an. Da ist ein Blitzen in seinen Augen. »Faller«, sage ich, »planen Sie etwa ein Comeback?«
    Er schaut wieder aufs Wasser, zündet sich eine Roth-Händle an und sagt:
    »Achten Sie auf die Möwen, Chastity, achten Sie immer gut auf die Möwen.«
    Am Himmel über uns sind sie zu fünft unterwegs. Sie gleiten durch die Windstille, und sie sehen aus, als wären sie sehr gemütlich. Bis eine von ihnen Fahrt aufnimmt. Erst zieht sie nach oben, dann stürzt sie nach unten, und zack, zieht sie einen Fisch aus dem Wasser.
    Und die anderen vier, die kucken doof.
    *
    Es ist dunkel, als ich in meine Straße einbiege. Die Lichterketten vor den Cafés und dem Gelötemarkt und dem knallharten Fahrradladen sind aus. Der Kandie Shop feiert heute eine Party im Hafen, da sind sie alle hin. Da haben sie heute alle früher dichtgemacht. Steht auch keiner auf dem Gehsteig und grillt über einer brennenden Mülltonne, so wie sonst. Und an der Ecke, an der meine Straße anfängt, ist es langweilig geworden, seit es die Bar Centrale nicht mehr gibt. In dem Laden hat jetzt eine Cocktail-Bar eröffnet, in

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