Knastpralinen: Ein Hamburg-Krimi (German Edition)
klingelt.
Blutwurst:
4 kg durchwachsenes Schweinefleisch, 1 kg Schwarten, 1 kg Leber, 200 g Salz, 25 g Pfeffer, 15 g Nelkenpulver, 15 g Majoran, 15 g Thymian, 10 g Kümmel, 10 g Zimt, frisches Blut.
Fleisch und Schwarten nicht zu weich kochen. Beides ebenso wie die Leber in feine Würfel schneiden. Salz, Gewürze und Blut dazugeben. Gut vermischen. Die Masse darf nicht zu fett sein. In Schweinedärme füllen.
50 bis 60 Minuten sieden lassen.
Sankt Pauli Saigon
U m Punkt zwölf Uhr dreißig lege ich meinen Talar ab, das aufgetakelte Ding. Dann schließe ich die Akten weg, stecke meine Zigaretten und mein Telefon ein und mache mich auf den Weg zu Carla. Um vierzehn Uhr geht’s weiter, das reicht für ein schnelles Mittagessen zwischen den Zeugenaussagen. Die Aussagen laufen verdammt schlecht für unsere drei Menschenräuber. Das ist höchst unangenehm, was da gerade noch alles rauskommt. Die Typen haben offensichtlich immer mal wieder versucht, die Mädchen im Internet zu verkaufen, als Haussklavinnen. Das hat aber nicht funktioniert, die Ware war schon zu ramponiert. Ich freu mich wirklich auf den letzten Verhandlungstag, wenn die Herren ins Kittchen einfahren. Vielleicht werde ich hinter der grünen Minna herrennen und ein bisschen johlen.
Es war schön, gestern Nacht noch mit Carla zu sprechen. Das war für ein paar Minuten wieder wie früher. Ihre Stimme, ihre Sätze, meine leicht aufgeregte und doch wahnsinnig coole Freundin. Der bittere, zerschlagene Unterton der letzten Tage war nicht da. Es war fast so, wie es war, bevor die blöden Pisser sie in den Keller gezerrt haben.
Ich zünde eine Zigarette an und kicke eine leere Cola-Flasche vor mir her. Ich habe Kopfschmerzen, und das Geklöter der kleinen Plastikflasche lenkt mich irgendwie davon ab. Es war bescheuert, nicht mehr zu schlafen. Ich lerne es einfach nicht. Wenn ich so im Bett liege und wach bin, denke ich immer, das macht doch jetzt keinen großen Unterschied, ob ich noch mal drei Stunden schlafe oder ob ich’s gleich ganz lasse. Am nächsten Tag ist es dann allerdings nicht zu übersehen, dass drei Stunden Schlaf tierisch was gebracht hätten.
Ich muss aufpassen mit dem Gekicke. Ich muss mich auf den Verkehrt konzentrieren. Jetzt hätte mich am Bismarck-Denkmal fast ein Bus erwischt.
Bei Carla ist es bumsvoll. Sie bringt gerade zwei Toast an einen Tisch. Sie wirft mir im Vorübergehen einen Kuss zu, sagt »Hallo, Liebes«.
Ich setze mich an die Bar. Als Carla wieder hinter der Theke angekommen ist, zapft sie zwei Bier gleichzeitig und fragt: »Schinkentoast?«
»Nee«, sage ich, »lieber ein dickes Hörnchen und einen doppelten Milchkaffee.«
»Hast du nicht mehr geschlafen gestern Nacht?«
Ich schüttele den Kopf.
»Du bist bekloppt«, sagt sie, bringt die Biere weg, kommt zurück und macht mir Kaffee.
»Wie war das jetzt gestern?«, fragt sie.
»Der Anwalt hat mich in das Schicksenrestaurant in der alten Fabrik geschleppt.«
»Diesen Backsteinschuppen?«, fragt sie. »An der großen Straße, von der ich nie weiß, wie sie heißt?«
»Genau«, sage ich.
»Und?«
»Das war so abgefahren. Sensationelles Essen umringt von Schrecklichkeiten. Da saßen nur furchtbare Menschen an den Tischen, und die Tische selbst waren auch furchtbar, und die Lampen und die Kellner und überhaupt alles. Schlimm. Nur das Essen, das war toll. Ich hab das überhaupt nicht kapiert, was das soll, wie das alles zusammengehört.«
»Verstehe«, sagt sie und kippt erst dicken, dunklen Kaffee in ein großes Glas, dann gießt sie eine Ladung dampfende Milch dazu, dann schüttet sie sehr, sehr viel Zucker rein und rührt alles mit einem langen Löffel um. »Jetzt verstehe ich das.«
»Was verstehst du?«, frage ich.
»Ich hab hier oft eine Frau an der Theke sitzen«, sagt sie, »die kennst du vielleicht auch vom Sehen, so eine dünne Blonde, mit einer strengen Frisur.«
»Weiß ich jetzt gerade nicht«, sage ich.
»Egal«, sagt Carla, »auf jeden Fall kocht die in dem Schuppen. Ich glaube, die ist sogar die Chefin von dem ganzen Laden. Und am Nachmittag, bevor sie die Küche aufmacht, sitzt sie oft hier, und dann plaudern wir ein bisschen. Und auch wenn die das nie so deutlich sagt, hab ich immer das Gefühl, die findet ihr Leben komplett scheiße. Wohnt in der Hafencity und hasst es. Fährt dicke Kohle mit ihrem schnieken Restaurant ein und hasst es. Macht noch mehr Geld mit einer Fernsehkochshow und hasst es. Die hasst alles, was sie
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