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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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meinte, das Zeug würde schon zu lange rumliegen.«
    Ich hörte auf zu kauen. Das war nicht korrekt. Wenn die Knochen menschlich waren, dann waren sie formal unidentifizierte Überreste und fielen deshalb in die Zuständigkeit des Coroners. Es war Aufgabe eines forensischen Anthropologen, festzustellen, ob der Tod so kürzlich eingetreten war, dass der Fall noch von forensischem Interesse war.
    »Wer ist dieser Coroner?« Ich griff nach Papier und Stift.
    Hippo klopfte sich auf sein Jackett, das nicht unerwähnt bleiben sollte. Der Stoff hatte gelbe und orange Streifen, die horizontal und vertikal auf einem rostbraunen Hintergrund verliefen. Mit dem goldfarbenen Polyester-Einstecktuch wäre dieses Kleidungsstück haute couture im ländlichen Rumänien gewesen.
    Hippo zog einen Spiralblock heraus und blätterte.
    »Dr. Yves Bradette. Wollen Sie die Nummer?«
    Ich nickte und notierte.
    »Hören Sie, Gaston will niemandem auf die Füße treten.«
    Ich hob den Kopf und schaute ihn direkt an.

    »Okay, okay.« Hippo streckte mir die Handflächen entgegen. »Aber seien Sie diskret. Das Zeug liegt in der SQ-Zentrale in Rimouski.« Hippo schaute auf seine Notizen. »Das ist der Distrikt Bas-Saint-Laurent-Gaspésie-Îles-de-la-Madeleine.« Typisch Hippo. Zu viele Informationen.
    »Ich kann mich aber nicht gleich darum kümmern.«
    »Schon gut. Pas d’urgence.« Keine Eile. »Wenn Sie mal Zeit haben.«
     
    Wenn eine Leiche ihr Verfallsdatum überschreitet, kann sie das auf drei Arten tun:Verwesung, Mumifizierung oder Verseifung. Keine davon ist hübsch.
    Eine warme, feuchte Umgebung mit Bakterien, Insekten und/oder Raubtieren auf der Suche nach ihrem Mittagessen sorgt für Verwesung. Zur Verwesung gehören Hautablösung, Verfärbung, Aufblähung, Ausstoß von Abdominalgasen, Einsinken des Bauchs,Verfaulen des Fleisches und schließlich der Zerfall des Knochengerüsts.
    Eine warme, trockene Umgebung, ohne Beteiligung von Insekten oder anderen Tierchen, sorgt für Mumifizierung. Zur Mumifizierung gehören Zerstörung der inneren Organe durch Autolyse und Darmbakterienaktivität sowie Muskel- und Hautaustrocknung und -verhärtung durch Verdunstung.
    Keiner ist sich wirklich sicher, aber Verseifung scheint eine kühle Umgebung und sauerstoffarmes Wasser zu erfordern, wobei das Wasser auch von der Leiche selbst kommen kann. Zur Verseifung gehören die Umwandlung von Fetten und Fettsäuren in Adipocire, eine käsige, stinkende Masse, die auch Leichenwachs genannt wird. Adipocire ist ursprünglich weiß und seifenartig, kann aber mit der Zeit hart werden. Hat sich das Zeug erst einmal gebildet, kann es sich sehr lange halten.
    Aber die Zersetzung entscheidet sich nicht so einfach für Tür A, B oder C. Verwesung, Mumifizierung und Verseifung können getrennt voneinander und in jeder Kombination auftreten.

    Geneviève Doucets Leiche hatte in einer einzigartigen Mikroumgebung gelegen. Die warme Luft vom Heizlüfter war von Decken und Kleidung konserviert worden und hatte so einen Minikonvektionsofen um die Leiche herum erzeugt. Voilà! Tür B.
    Die Kopfbehaarung war noch vorhanden, Genevièves Gesicht hingegen nicht, zu sehen war nur noch vertrocknetes Gewebe in den Augenhöhlen und über den Gesichtsknochen. Glieder und Brust waren von einer dicken, harten Schale umhüllt.
    Ich hob Geneviève sanft an den Schultern an und untersuchte ihren Rücken. Ledrige Muskel- und Sehnenstränge klebten an Rückgrat, Becken und Schulterblättern. Wo die Leiche auf der Matratze aufgelegen hatte, war Knochen zu sehen.
    Ich schoss zur Sicherheit ein paar Polaroids und ging dann zu den Lichtkästen an der einen Wand. Genevièves Knochen leuchteten weiß vor dem Grau ihres restlichen Gewebes und dem Schwarz des Films. Ich schaute mir die einzelnen Aufnahmen eingehend an.
    LaManche hatte recht. Keine offensichtlichen Hinweise auf Gewalteinwirkung. Keine Kugeln, Kugelsplitter, Hülsen oder sonst irgendwelche metallischen Spuren. Die Knochen zeigten keine Haarrisse, keine linearen, ausstrahlenden oder Kompressionsfrakturen. Keine ausgerenkten Gelenke. Keine fremden Objekte. Für eine komplette Untersuchung des Skeletts musste die Leiche entfleischt werden.
    Ich kehrte zum Autopsietisch zurück und suchte, mich methodisch von Genevièves Kopf bis zu den Füßen vorarbeitend, nach Hinweisen auf Krankheiten, Verletzungen und Insektenaktivität. Auf irgendetwas, das den Todeszeitpunkt und/oder die Todesart genauer bestimmen könnte.
    Wie schon bei den

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