Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
Vom Netzwerk:
schon ist er oder sie forensischer Anthropologe. Warum sich nicht ein Exemplar von Herzchirurgische Praxis bestellen, ein Schild an die Tür hängen und Brustkörbe aufschneiden? Auch wenn es nicht oft vorkommt, dass eine unterqualifizierte Person mir in meinen Bereich hineinpfuscht, bin ich alles andere als erfreut, wenn es tatsächlich einmal passiert.
    »Verstehe.« War Bradette unterkühlt, war ich arktisch.
    »Auf Anfrage gab der Beamte zu, dass er die Knochen schon
viele Jahre besaß. Außerdem gab er an, dass sie aus New Brunswick stammten. New Brunswick gehört nicht mehr zu meinem Zuständigkeitsbereich.«
    Monate, vielleicht Jahre vergehen ohne einen einzigen Gedanken an Évangéline Landry. Dann blitzt unerwartet eine Synapse auf. Ich weiß nie, was der Auslöser sein mag. Ein vergessener Schnappschuss, der zusammengerollt ganz unten in einem Karton liegt. Wörter, die mit einer bestimmten Betonung ausgesprochen werden. Ein Lied. Eine Zeile aus einem Gedicht.
    Hippos chiac -Akzent. New Brunswick. Das Skelett eines Mädchens, das schon viele Jahre tot ist.
    Neuronen feuerten.
    Es war völlig irrational. Trotzdem verkrampften sich meine Finger um den Hörer.

5
    »Ich will, dass diese Knochen konfisziert und in mein Institut geschickt werden.« Meine Stimme hätte Marmor schneiden können.
    »Meiner beruflichen Auffassung nach ist das Zeitverschw–«
    »Bis morgen.« Granit.
    »Pierre LaManche muss ein offizielles Anforderungsformular übermitteln.«
    »Geben Sie mir Ihre Faxnummer, bitte.«
    Das tat er.
    Ich notierte sie mir.
    »Sie haben die Unterlagen innerhalb einer Stunde.«
    Nachdem ich das Formular ausgefüllt hatte, machte ich mich auf die Suche nach einer Unterschrift.
    LaManche stand inzwischen, mit Gesichtsmaske und einer im Nacken und im Kreuz zusammengebundenen Plastikschürze,
an einer seitlichen Arbeitsfläche im Pathologielabor. Vor ihm lag auf einem Korkbrett eine aufgeschnittene Bauchspeicheldrüse. Als er meine Schritte hörte, drehte er sich um.
    Ich erzählte ihm von Gastons Skelett. Ich erwähnte weder Évangéline Landry noch ihr Verschwinden vor fast vier Jahrzehnten als mögliche Motivation, warum ich mir diese Knochen aus New Brunswick genauer anschauen wollte. Ich glaubte nicht ernsthaft, dass es da eine Verbindung geben könnte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sei es Évangéline schuldig, die Identität des Skeletts aus New Brunswick zu erforschen.
    Und doch spürte ich eine gewisse Enge in der Brust.
    »Noveau-Brunswick?«, fragte LaManche.
    »Die Überreste sind gegenwärtig in Quebec.«
    »Könnte es sein, dass sie von einem alten Friedhof stammen? «
    »Ja.«
    »Sie werden diesen Monat sehr viel zu tun haben.«
    Frühling und Frühsommer bedeuten in Quebec in meinem Gewerbe Hochsaison. Flüsse tauen auf. Schnee schmilzt. Wanderer, Camper und Picknicker schwärmen aus. Trara! Verfaulende Leichen werden gefunden. LaManche wies mich behutsam auf diese Tatsache hin.
    »Die Knochen von der Baustelle sind nicht menschlich. Mit Dr. Santangelos Fall fange ich jetzt sofort an. Dann kümmere ich mich um Ihr Opfer vom Lac des Deux Montagnes.«
    LaManche schüttelte leicht den Kopf. »Alte Knochen, die jemand als Souvenir behalten hat.«
    »PMI ist unklar.«
    LaManche sagte nichts.
    »Dr. Bradettes Haltung geht mir gegen den Strich. Ein Skelett liegt unbeachtet in unserem Zuständigkeitsbereich. Kein menschliches Wesen sollte mit einer solchen unbekümmerten Missachtung behandelt werden.«

    LaManche schaute mich über seine Maske hinweg an. Dann zuckte er die Achseln. »Wenn Sie glauben, dass Sie die Zeit dafür haben.«
    »Ich werde mir die Zeit nehmen.«
    Ich legte das Formular auf die Arbeitsfläche. LaManche zog einen Handschuh aus und unterschrieb es.
    Ich dankte ihm und eilte zum Faxgerät.
     
    Den Rest des Nachmittags brachte ich mit Santangelos Brandopfer zu, einem dreiundneunzigjährigen Mann, von dem man wusste, dass er gerne im Bett rauchte, bevor er sein Gebiss aus dem Mund nahm und die Nachttischlampe ausschaltete. Seine Kinder und Enkel hatten ihn wiederholt gewarnt, aber der alte Knacker hatte ihren Rat ignoriert.
    Jetzt rauchte Opa nicht mehr. Er lag auf Edelstahl in Autopsiesaal vier.
    Wenn das wirklich Opa war.
    Der Schädel bestand nur noch aus verkohlten Fragmenten in einer braunen Papiertüte. Der Torso war eine amorphe schwarze Masse mit angezogenen Beinen und erhobenen Oberarmen aufgrund der Kontraktion der Beugemuskeln. Die unteren Teile der

Weitere Kostenlose Bücher