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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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einen dringenden Fall zugewiesen. Bin unterwegs in die Leichenhalle.«
    »Zehn Minuten?«
    Schon jetzt zeigte meine Uhr 9:45.
    »Kommen Sie rauf.« Resigniert. Hippo würde mich sowieso finden.

    Zwanzig Minuten später tauchte er auf. Durch das Beobachtungsfenster sah ich, wie er sich den Gang entlangarbeitete und immer wieder stehen blieb, um die Pathologen zu begrüßen, die noch in ihren Büros waren. Mit einer Dunkin-Donuts-Tüte betrat er dann mein Labor.
    Wie soll man Hippo beschreiben? Mit seinem Übergewicht, der Brille mit Plastikrahmen und seiner Retro-Stoppelfrisur sah er eher aus wie ein Programmierer als wie ein Polizist.
    Hippo kam an meinen Schreibtisch und stellte die Tüte darauf. Ich schaute hinein. Doughnuts.
    Zu sagen, dass Hippo sich nicht unbedingt für gesunde Ernährung interessierte, wäre so, als würde man sagen, dass die Amish sich nicht unbedingt für Corvettes begeistern. Einige seiner Kollegen nannten ihn Hochbelastungs-Hippo. Ironischerweise, denn sein Magen war in ständigem Aufruhr.
    Hippo nahm sich einen Doughnut mit Ahornsirupglasur. Ich einen mit Schokolade.
    »Hab mir gedacht, dass Sie vielleicht das Frühstück ausgelassen haben.«
    »Mm.« Ich hatte einen Bagel mit Frischkäse und einem Riesenlöffel Himbeeren gegessen.
    »Ist das Ihr dringender Fall?« Hippo deutete mit dem Kinn auf die Lamm- und Geflügelknochen von der Baustelle.
    »Nein.« Ich ging nicht näher darauf ein. Es war inzwischen fast zehn. Und mein Mund war voller Schokolade und Hefeteig.
    »Würd gern Ihre Meinung zu ’ner Sache hören.«
    »Ich muss wirklich nach unten.«
    Hippo zog einen Stuhl an meinen Schreibtisch. »In zehn Minuten bin ich wieder weg.« Er setzte sich und leckte Zucker von den Fingern. Ich gab ihm ein Papiertaschentuch. »Ist allerdings nichts, wofür Sie zuständig wären.«
    Ich bedeutete ihm mit einer Geste, er solle endlich loslegen.
    »Knochen. Hab sie selber noch gar nicht gesehen. Die Sache kommt von einem Kumpel bei der SQ. Er ist seit achtzehn
Jahren bei der Provinzpolizei und wurde eben erst von Rimouski nach Gatineau versetzt.Wir haben ein paar Bier miteinander getrunken, als er in Montreal war.«
    Ich nickte, dachte aber eigentlich an die Doughnuts. Ob da noch eins mit Ahornsirupglasur in der Tüte war?
    »Ich und Gaston, so heißt er. Wir sind schon seit Ewigkeiten Kumpel. Sind in einer Kleinstadt in den Maritimes aufgewachsen. « Endlich eine Erklärung für Hippos Akzent. Chiac, eine französische Mundart ähnlich wie joual, die aber nur in einigen Provinzen an der Atlantikküste gesprochen wurde.
    »Da ist dieses Skelett, das Gaston schon ein paar Jahre lang nervt. Er ist ein halber Micmac, wissen Sie. Ureinwohner?«
    Ich nickte noch einmal.
    »Ist ihm so ’ne Art Anliegen, dass die Toten anständig bestattet werden. Glaubt, dass die Seele im Arsch ist, wenn man nicht sechs Fuß unter der Erde liegt. Wie auch immer, ein SQ-Kollege in Gastons letzter Dienststelle hatte einen Schädel auf seinem Schreibtisch. Und den Rest des Skeletts in einem Karton. «
    »Wie kam dieser Detective zu diesen Knochen?« Ich nahm die Tüte zur Hand und hielt sie ihm entgegen. Hippo schüttelte den Kopf. Ich schaute mäßig interessiert hinein. Ja! Eins mit Ahornsirupglasur. Ich stellte die Tüte wieder ab.
    »Gaston weiß es nicht. Aber sein Gewissen plagt ihn, weil er nicht mehr getan hat, um den Knochen ein anständiges Begräbnis zu verschaffen.«
    »Kein Grab, kein Leben nach dem Tod.«
    »Bingo.«
    »Und da komme ich ins Spiel.«
    »Gaston hat mich gefragt, ob ich da so eine Knochenlady hier in Montreal kenne. Ich sag, soll das ein Witz sein? Doc Brennan und ich sind sympatique.« Hippo hob und verschränkte zwei nikotinfleckige Finger.
    »Er ist sicher, dass die Knochen menschlich sind?«

    Hippo nickte. »Ja, und er glaubt, dass es ein Kind ist.«
    »Warum?«
    »Sie sind klein.«
    »Gaston sollte sich an den Coroner vor Ort wenden.« So beiläufig, wie es nur ging, griff ich in die Tüte und holte den mit Ahornsirupglasur heraus.
    »Hat er. Der Kerl hat ihn abblitzen lassen.«
    »Warum?«
    »Die Knochen sind nicht gerade frisch.«
    »Sind sie archäologisch?« Ahornsirup war nicht schlecht, aber Schokolade war besser.
    »Soweit ich weiß, sind sie trocken, und in den Löchern, wo die Augen waren, sind Spinnweben.«
    »Spinnweben können darauf hindeuten, dass die Knochen eine gewisse Zeit über der Erde lagen.«
    »Bingo.« Hippo mochte das Wort. Benutzte es häufig. »Der Coroner

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