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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Hütte.
    »Sieht aus wie Ye Olde Rod and Gun Club«, sagte Harry.
    Sie hatte recht. Das Haus wirkte irgendwie wie eine Jagdhütte.
    »Bereit?«
    Harry nickte. Seit dem Aufstehen war sie ungewöhnlich still gewesen. Bis auf einen kurzen Wortwechsel über ihre Abneigung gegen Höschen hatte ich sie in Ruhe gelassen. Ich vermutete, dass sie ihre Erinnerungen an Obéline durchging. Sich vorbereitete auf die bevorstehende Begegnung mit der entstellten Frau. Ich tat das jedenfalls.

    Wortlos stiegen wir aus und gingen zum Haus.
    Über Nacht hatte der Himmel sich mit feuchtigkeitsschweren Wolken überzogen. Der Vormittag versprach Regen.
    Da ich keine Klingel fand, klopfte ich an die Tür. Sie war aus dunkler Eiche, mit einer Scheibe aus Bleiglas in der Mitte, die nichts über das Leben im Inneren verriet.
    Keine Antwort.
    Ich klopfte noch einmal, diesmal auf das Glas. Meine Knöchel feuerten ein scharfes Rat-a-tat-tat ab .
    Über uns segelte eine Möwe und kündigte schreiend den bevorstehenden Sturm an. Meldete den Tidenstand. Klatsch, den nur die Gehirne der Gattung Larus verstehen konnten.
    Harry drückte das Gesicht an die Scheibe.
    »Keine Bewegung drinnen«, sagte sie.
    »Vielleicht schläft sie lange.«
    Harry richtete sich auf und drehte sich um. »Bei unserem Glück ist sie vielleicht in Wichita Falls.«
    »Warum sollte Obéline nach Wichita Falls wollen?«
    »Warum sollte irgendjemand nach Wichita Falls wollen?«
    Ich schaute mich um. Nebengebäude gab es keine.
    »Ich schaue mal hinten nach.«
    »Ich sichere die Front, Sir.« Harry salutierte und ließ sich die Satteltasche von der Schulter rutschen. Mit einem dumpfen Schlag klatschte sie vor ihren Füßen auf.
    Ich stieg die Stufen wieder hinunter und ging nach rechts.
    Eine steinerne Veranda nahm fast die gesamte Breite der Rückseite ein. Ein Gebäudeflügel erstreckte sich dahinter im rechten Winkel, weshalb er von der Vordertür aus nicht zu sehen war. Er sah neuer aus als der Rest des Gebäudes, der Lack auf dem Holz leuchtete kräftiger. Ich fragte mich, ob das Feuer vielleicht dort gewütet hatte.
    Auf der Veranda standen eine Gartengarnitur, ein Grill und einige Liegestühle, alle leer. Ich stieg hinauf, ging zur Rückwand und spähte durch eine Doppelglastür.

    Normale Einbauküche. Tisch und Stühle aus Kiefernholz. Katzen-Kuckucksuhr mit Pendelschwanz.
    Frei stehende Koch- und Arbeitsinsel in der Mitte. Ein Chefmesser, ein Küchentuch aus Papier, eine Apfelschale.
    Ich spürte meine Nerven kribbeln.
    Sie ist zu Hause!
    Ich drehte mich um.
    Am hinteren Ende des Rasens stand eine Art Pavillon. Dahinter war Wasser, aufgewühlt und metallisch grau. Ein Seitenarm des Golfs von St. Lawrence, vermutete ich.
    Merkwürdige Säulen flankierten den Eingang des Pavillons, ziemlich hoch, mit Vorsprüngen, die vorn und an den Seiten herausragten, und seltsam geformten Säulenköpfen.
    Durch das Gitterwerk des Pavillons konnte ich etwas undeutlich eine Silhouette erkennen. Ich prägte mir die Details ein.
    Klein, wahrscheinlich weiblich.Vorgebeugt. Bewegungslos.
    Die Frau, die vielleicht Obéline war, saß mit dem Rücken zu mir. Ich konnte nicht erkennen, ob sie las, döste oder einfach nur aufs Wasser hinausschaute.
    Während ich auf den Pavillon zuging, registrierten meine Sinne weitere Informationen. Ein klimperndes Windspiel. Schäumende Wellen, die gegen eine Mauer klatschten.
    Beim Näherkommen sah ich, dass die Säulen aus geschnitzten Tiergestalten bestanden. Die Vorsprünge waren Schnäbel und Flügel. Die Umrisse obendrauf waren stilisierte Darstellungen von Vögeln.
    Und dann die Erkenntnis, das Resultat anthropologischer Studien vor vielen Jahren. Der Pavillon war früher eine Schwitzhütte gewesen, deren Wände man nachträglich durch Gitterwerk ersetzt hatte.
    Das Ensemble sah hier völlig fehl am Platz aus. So etwas würde man Tausende Meilen weiter südlich erwarten. Totempfähle und Schwitzhütten waren typisch für dieVölker des pazifischen
Nordwestens, für die Tlingit etwa oder die Haida oder die Kwakiutl, aber nicht für die Micmac oder die anderen Stämme der Maritimes.
    Drei Meter vor dem Bau blieb ich stehen.
    »Obéline?«
    Die Frau riss den Kopf hoch.
    »Quisse qué-la?« Wer da? Akadisches Französisch.
    »Temperance Brennan.«
    Die Frau reagierte nicht.
    »Tempe.Von Pawleys Island.«
    Nichts.
    »Harry ist auch da.«
    Eine Hand hob sich, zögerte, als wüsste sie nicht so recht, wozu.
    »Wir waren Freundinnen. Du und Harry.

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