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Knochen zu Asche

Knochen zu Asche

Titel: Knochen zu Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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Zimmer und Wandschränke. Über jeder hing ein kleines Kruzifix.
    Ganz offensichtlich hatte der Architekt nicht den Auftrag gehabt, Mutter Natur in den hinteren Teil des Hauses zu lassen. Doch auch so war es in dem kleinen Salon, in den wir geführt wurden, noch viel düsterer, als man es bei den winzigen Fenstern vermuten würde. Alle Läden waren geschlossen. Zwei Tischlampen aus Messing spendeten ein Minimum an Licht.
    »S’il vous plaît.« Sie deutete auf einen Zweisitzer mit goldenem Baumwollsamtbezug.
    Harry und ich setzten uns. Obéline nahm in einem Lehnsessel auf der anderen Seite des Zimmers Platz, zog die Ärmel bis zu den Handgelenken herunter und legte die Hände im Schoß ineinander.
    »Harry und Tempe.« Mit dem chiac -Akzent klangen unsere Namen merkwürdig.
    »Dein Zuhause ist wunderbar.« Ich fing ganz beiläufig an. »Und die Totempfähle sind erstaunlich. Gehe ich recht in der Annahme, dass der Pavillon früher eine Schwitzhütte war?«
    »Mein Schwiegervater hatte einen Angestellten, dessen Hobby Eingeborenenkunst war. Der Mann wohnte viele Jahre in dieser Hütte.«
    »Der Baustil ist ungewöhnlich.«
    »Der Mann war –« Sie suchte nach dem passenden Adjektiv. »– ungewöhnlich.«

    »Mir sind auch die geschnitzten Bänke in der Halle aufgefallen. Hast du noch viele Stücke aus seiner Kollektion?«
    »Ein paar. Als mein Schwiegervater starb, feuerte mein Gatte diesen Mann. Die Trennung war keine freundschaftliche.«
    »Das tut mir leid. Solche Dinge sind immer schwierig.«
    »Es war unvermeidlich.«
    Harry neben mir räusperte sich.
    »Und es tut mir sehr leid, dass deine Ehe so schlecht verlaufen ist«, sagte ich, nun mit sanfterer Stimme.
    »Dann habt ihr die Geschichte also gehört.«
    »Zum Teil, ja.«
    »Ich war sechzehn, arm und hatte kaum eine andere Wahl.« Mit ihrer gesunden Hand schnippte sie etwas von ihrem Rock weg. »David fand mich schön. Die Heirat bot mir einen Ausweg. Das ist schon so lange her.«
    Vergiss den Small Talk. Ich steuerte geradewegs auf das zu, was ich wissen wollte. »Wohin seid ihr gegangen, Obéline?«
    Sie verstand sofort. »Hierher natürlich.«
    »Ihr seid nie nach Pawleys Island zurückgekehrt.«
    »Mama wurde krank.«
    »So plötzlich?«
    »Sie brauchte Pflege.«
    Das war nicht wirklich eine Antwort.
    Ich fragte mich, was für eine Krankheit Laurette getötet hatte. Ließ es dann aber auf sich beruhen.
    »Ihr seid weggegangen, ohne euch zu verabschieden. Tante Euphémie und Onkel Fidèle weigerten sich, uns irgendwas zu erklären. Deine Schwester schrieb mir nicht mehr.Viele Briefe kamen ungeöffnet zurück.«
    »Évangéline zog zu grand-père Landry.«
    »Aber hätte man ihr die Post denn nicht dorthin nachgeschickt? «
    »Sie war weit draußen auf dem Land. Du kennst doch den Service der Post.«

    »Warum zog sie dorthin?«
    »Als Mama nicht mehr arbeiten konnte, nahm die Familie ihres Mannes das Heft in die Hand.« War ihre Stimme härter geworden, oder war das nur eine Folge des mühsam wiedererlernten Sprechens?
    »Eure Eltern waren wieder zusammen?«
    »Nein.«
    Einige Augenblicke vergingen in verlegenem Schweigen, nur das Ticken einer Uhr war zu hören.
    Obéline brach schließlich das Schweigen.
    »Darf ich euch eine Limonade anbieten?«
    »Sehr gerne.«
    Obéline verschwand durch dieselbe Tür, durch die wir hereingekommen waren.
    »Du könntest es doch wenigstens auf Englisch versuchen.« Harry klang verärgert.
    »Ich will, dass sie sich wohlfühlt.«
    »Ich habe dich Pawleys Island sagen gehört. Worum ging’s da?«
    »Sie brachten die Kinder hierher, weil Laurette krank wurde.«
    »Was für eine Krankheit?«
    »Hat sie nicht gesagt.«
    »Das ist alles?«
    »So ziemlich.«
    Harry verdrehte die Augen.
    Ich schaute mich in dem Zimmer um. Die Wände waren bedeckt mit amateurhaften Landschaften und Stillleben in grellen Farben und mit verzerrten Proportionen. Regale voller Bücher und Nippes ließen das kleine Zimmer vollgestopft und klaustrophobisch wirken. Vögel aus Glas. Schneekugeln. Indianische Traumfänger-Amulette. Schalen und Kerzenhalter aus weißem Hobnail-Porzellan. Spieluhren. Statuen der Jungfrau Maria und ihrer Heiligenschar. Andreas? Franziskus? Petrus? Eine bemalte Gipsbüste. Die kannte ich. Nofretete.

    Obéline kehrte zurück, das Gesicht noch immer zu dieser unergründlichen Miene erstarrt. Als sie uns die Limos gab, schaute sie weder mir noch Harry in die Augen. Dann setzte sie sich und konzentrierte sich auf ihr

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