Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan
Leiche Verletzungen hat, stürzen sie sich da drauf, wenn nicht, auf die normalen Körperöffnungen, Augen, Nase, Mund, Anus…«
»Hab schon verstanden.«
»Schmeißfliegen legen riesige Eierhaufen, die natürliche Körperöffnungen und Wunden völlig ausfüllen können. Du sagst, es war kühl dort, deshalb waren es in deinem Grab vielleicht nicht ganz so viele.«
»Wenn die Eier reif sind, haben die Maden ihren großen Auftritt.«
»Genau. Der zweite Akt. Maden sind eigentlich ziemlich cool. Am vorderen Ende haben sie zwei Mundhaken, die sie zum Fressen und zur Fortbewegung benutzen. Sie atmen durch kleine flache Strukturen am hinteren Ende.«
»Sie atmen also durch den Hintern.«
»In gewisser Weise. Auf jeden Fall werden Eier, die zur selben Zeit gelegt wurden, zur selben Zeit reif, und die Maden entwickeln sich gemeinsam. Sie fressen auch gemeinsam, deshalb kommt es zu diesen riesigen Madenmassen, die sich über eine Leiche bewegen. Folge dieses Gruppenverhaltens sind die Verbreitung von Bakterien und die Produktion von Verdauungsenzymen, die es den Maden gestatten, fast das gesamte weiche Gewebe einer Leiche zu verarbeiten. Das ist alles sehr effizient.
Maden reifen sehr schnell, und wenn sie ihre Maximalgröße erreicht haben, kommt es zu einem dramatischen Wechsel im Verhalten. Sie hören auf zu fressen und suchen sich eine trockenere Unterkunft, meistens in einiger Entfernung von der Leiche.«
»Dritter Akt.«
»Ja. Die Larven graben sich ein, die Außenhaut verhärtet sich und bildet eine Schutzhülle, die man Puppe nennt. Sie sehen aus wie winzige Rugby-Bälle. Die Maden bleiben in der Puppe, bis ihre Zellen sich reorganisiert haben, und dann schlüpfen sie als Fliegen.«
»Ist das der Grund, warum die leeren Puppenhüllen so wichtig sind?«
»Ja. Du erinnerst dich noch an die Fleischfliegen?«
»Die Sarcophagidae. Die Larvenleger.«
»Sehr gut. Sie sind normalerweise die ersten, die als Erwachsene schlüpfen. Sie brauchen, zumindest bei Temperaturen um die fünfundzwanzig Grad, zwischen sechzehn und vierundzwanzig Tage zur Reifung. Unter Bedingungen, wie du sie beschrieben hast, verlangsamt sich der Prozeß.«
»Ja. So warm war es nicht.«
»Aber die leeren Puppenhüllen bedeuten, daß einige Fleischfliegen ihre Entwicklung bereits abgeschlossen haben.«
»Also geschlüpft sind.«
»Die Schmeißfliege braucht zwischen vierzehn und fünfundzwanzig Tage zur Reifung, in einer feuchten Umgebung wie auf deiner Insel wahrscheinlich länger.«
»Das paßt alles zusammen.«
»Du hast auch etwas gesammelt, von dem ich mir ziemlich sicher bin, daß es Musidae- Larven sind, Maden der Stubenfliege und ihrer Verwandten. Diese Spezies erscheint üblicherweise erst fünf bis sieben Tage nach dem Tod. Sie warten gerne bis zum Auftreten früher Fäulniserscheinungen. Ach, und dann gab es noch Käsemaden.«
Käsemaden sind Maden, die hüpfen. Es ist zwar nicht immer einfach, aber ich habe gelernt, sie bei der Arbeit an verwesten Leichen zu ignorieren.
»Meine persönlichen Lieblinge.«
»Jeder muß sich seinen Lebensunterhalt verdienen, Dr. Brennan.«
»Ich schätze, man muß einen Organismus bewundern, der das Neunzigfache seiner eigenen Körperlänge springen kann.«
»Hast du es ausgemessen?«
»Mir kommt’s so vor.«
»Ein für die Schätzung der Leichenliegezeit sehr nützliches Tierchen ist die schwarze Soldatenfliege. Sie zeigt sich normalerweise erst zwanzig Tage nach Eintritt des Todes und ist ziemlich beständig in diesem Verhalten, auch wenn der Kadaver vergraben ist.«
»Und solche hast du gefunden?«
»Ja.«
»Was sonst noch?«
»Die Auswahl an Käfern war etwas beschränkter, wahrscheinlich wegen der feuchten Umgebung. Aber die typischen Räuber waren vorhanden, und die dürften sich an den Maden und anderen Weichkörperformen sattgefressen haben.«
»Und, was schätzt du?«
»Ich würde sagen, wir reden von drei bis vier Wochen.«
»Beide Leichen?«
»Du hast einen Meter zwanzig bis zum Grubenboden gemessen und neunzig Zentimeter bis zur Oberseite der unteren Leiche. Über das Larvenlegen der Fleischfliegen vor dem Begräbnis haben wir ja bereits gesprochen, und das erklärt die Puppenhüllen, die du auf und über der unteren Leiche gefunden hast. In einigen habe ich halb geschlüpfte Erwachsene gefunden. Die wurden wohl mitten im Schlüpfen mit Erde zugeschüttet. Und Piophilidae waren ebenfalls vorhanden.«
»Lou?«
»Käsemaden. In den Bodenproben, die du aus der
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