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Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan

Titel: Knochenarbeit: 2. Fall mit Tempe Brennan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathy Reichs
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hatte einen Dielenboden und dicke Balkenwände und wurde nur von Kerzenlicht erhellt. Ich hing an einem Seil von einem Deckenbalken, mein Schatten fiel wie eine Giacometti-Figur mit hochgereckten Armen auf den Boden.
    Ich drehte den Kopf, und der eiförmige Schädelschatten verlängerte sich im flackernden Licht. Vor mir eine Flügeltür. Links der steinerne Kamin. Rechts ein Panoramafenster. Ich versuchte mir alles einzuprägen.
    Als ich hinter mir Stimmen hörte, brachte ich eine Schulter nach vorne, zog die andere zurück und stieß mich mit den Zehen ab. Mein Körper drehte sich, und in dem Sekundenbruchteil, bevor die Seilspannung mich wieder zurückwirbelte, sah ich die beiden. Ich erkannte die Strähne über Haar und Auge. Aber wer war die andere Person?
    Die Stimmen hielten inne und redeten dann leise weiter. Ich hörte Schritte, dann wieder Stille. Ich wußte, daß ich nicht allein war. Ich hielt den Atem an und wartete auf ihren Auftritt.
    Als sie vor mich trat, war ich überrascht, aber nicht schockiert. Heute trug sie die Haare in Schnecken auf dem Kopf, nicht in Zöpfen wie damals, als ich sie zusammen mit Kathryn und Carlie in Beaufort auf der Straße getroffen hatte.
    Sie streckte die Hand aus und wischte mir eine Träne von der Wange.
    »Haben Sie Angst?« Ihr Blick war kalt und hart.
    »Nein. Ellie, nicht vor Ihnen und Ihren Eiferern.« Der Schmerz im Hals machte mir das Sprechen schwer.
    Sie strich mir mit dem Zeigefinger über Nase und Lippen. Er fühlte sich rauh auf meiner Haut an.
    »Nicht Ellie. Je suis Elle. Ich bin Sie. Die weibliche Macht.«
    Ich erkannte die tiefe, rauhe Stimme.
    »Die Hohepriesterin des Todes!« blaffte ich.
    »Sie hätten uns in Ruhe lassen sollen.«
    »Sie hätten meine Schwester in Ruhe lassen sollen.«
    »Wir brauchen sie.«
    »Haben Sie denn nicht schon genügend andere? Oder erregt das Töten Sie so sehr?«
    Halt sie am Reden. Schinde Zeit.
    »Wir strafen die Unbelehrbaren.«
    »Ist das der Grund, warum Sie Daisy Jeannotte getötet haben?«
    »Jeannotte.« Ihre Stimme war barsch vor Verachtung. »Diese hinterhältige, aufdringliche alte Närrin. Jetzt wird sie ihn endlich in Ruhe lassen.«
    Was sage ich am besten, um das Gespräch am Laufen zu halten?
    »Sie wollte nicht, daß ihr Bruder stirbt.«
    »Daniel wird ewig leben.«
    »Wie Jennifer und Amalie?«
    »Ihre Schwäche hätte uns zurückgehalten.«
    »Sie nehmen also die Schwachen und sehen zu, wie sie zerfleischt werden?«
    In ihren Augen stand ein Ausdruck, den ich nicht interpretieren konnte. Verbitterung? Bedauern? Erwartung?
    »Ich habe sie aus dem Darben erlöst und ihnen gezeigt, wie sie überleben können. Sie haben sich für den Untergang entschieden.«
    »Was war Heidi Schneiders Sünde? Die Liebe zu ihrem Mann und ihren Babys?«
    Ihr Blick wurde hart.
    »Ich habe ihr den rechten Weg aufgezeigt, und sie hat Gift in die Welt gebracht. Das Böse in zweifacher Gestalt!«
    »Der Antichrist.«
    »Ja!« zischte sie.
    Denk nach. Was hatte sie in Beaufort gesagt?
    »Sie sagen, daß der Tod nur ein Übergangsstadium im Wachstumsprozeß ist. Schaffen Sie Nahrung, indem Sie Babys und alte Frauen abschlachten?«
    »Den Verdorbenen darf man nicht gestatten, die neue Ordnung zu besudeln.«
    »Heidis Babys waren vier Monate alt!« Angst und Wut ließen meine Stimme überschlagen.
    »Sie waren Perversion!«
    »Es waren Säuglinge!« schrie ich und riß wütend an meinen Seilen, aber sie hielten.
    Hinter der Tür hörte ich andere reden und herumgehen. Ich dachte an die Kinder auf St. Helena und spürte, wie mir der Atem stockte.
    Wo war Daniel Jeannotte?
    »Wie viele Kinder wollen Sie und Ihre Anhänger noch umbringen?«
    Ihre Augen verengten sich fast unmerklich.
    Weiter. Red weiter.
    »Verlangen Sie von allen Ihren Anhängern, daß sie in den Tod gehen?«
    Sie sagte immer noch nichts.
    »Warum brauchen Sie meine Schwester? Können Sie keine neuen Anhänger mehr motivieren?« Meine Stimme klang zittrig und zwei Oktaven zu hoch.
    »Sie wird die Stelle eines anderen einnehmen.«
    »Sie glaubt nicht an Ihr Armageddon.«
    »Eure Welt steht vor dem Ende.«
    »Als ich sie das letzte Mal sah, ging es ihr noch recht gut.«
    »Ihr tötet Bäume für Toilettenpapier und kippt Gift in die Flüsse und Meere. Heißt das Gutgehen?« Sie brachte ihr Gesicht so nah an meins, daß ich die Adern an ihren Schläfen pochen sah.
    »Bringen Sie sich selber um, wenn Sie müssen, aber lassen Sie andere ihre eigenen Entscheidungen

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