Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
iPhone. Oder besaß eines. Wie du weißt, ist es aus ihrem Wohnwagen verschwunden. Vielleicht ist es sogar der einzige Gegenstand, der fehlt, da ihre restliche Habe angeblich nicht angerührt wurde.«
»Der Film wurde mit einem iPhone gedreht?« Das ist mir neu.
»Das Foto vom abgeschnittenen Ohr wurde auch mit einem gemacht«, ergänzt Lucy. »Einem iPhone der ersten Generation, wie sie eines hatte.«
Ich werde nicht nachhaken, woher Lucy diese Details hat, denn ich will es lieber gar nicht wissen.
»Sie hat noch immer ihr allererstes benutzt und sich die Mühe gespart, sich ein neueres Modell zuzulegen. Vermutlich lag das an ihrem Telefonvertrag mit AT &T.« Lucy steht auf und geht ins Bad, um die Kaffeegläser auszuspülen. Ich höre gedämpfte Stimmen auf dem Flur.
Im nächsten Moment erklingt eine Polizeisirene, einer von Pete Marinos Klingeltönen. Er ist mit jemandem zusammen, ich glaube, mit Bryce, und sie kommen hierher. Beide telefonieren sie. Ich kann zwar nichts verstehen, doch ich erkenne an ihren angespannten Stimmen, dass etwas geschehen ist.
»Ich rufe dich später an. Ich bin zurück, bevor das Unwetter hier ist«, meint Lucy und macht sich bereit zum Gehen. »Es soll später ziemlich schlimm werden.«
Im nächsten Moment steht Marino auf der Schwelle. Seine Khakiuniform ist zerknittert, als hätte er darin geschlafen, sein Gesicht gerötet. Wie selbstverständlich spaziert er herein und telefoniert dabei mit lauter Stimme. Bryce folgt ihm auf den Fersen. Mein zierlich gebauter Verwaltungschef hat eine Designersonnenbrille im Haar sitzen, ist mit einer ausgewaschenen Röhrenjeans und einem T-Shirt bekleidet und sieht aus, als käme er gerade von den Dreharbeiten zur Comedy-Serie
Glee.
Mir fällt auf, dass er sich seit seiner Abreise nach Florida vor einer Woche nicht rasiert hat, und das Vorhandensein beziehungsweise Fehlen eines Bartes hat bei ihm immer dasselbe zu bedeuten: Bryce Clark schlüpft auf der Suche nach der Starrolle in seinem eigenen Leben wieder einmal in eine andere Identität.
»Nun, normalerweise wäre das ein
Nein
«, spricht Marino in sein Mobiltelefon. »Aber Sie müssen die Dame vom Aquarium an die Strippe holen, damit die Chefin es ihr persönlich mitteilen kann. Nur so können wir sichergehen, dass wir alle auf demselben Stand sind …«
»Wir wissen es zu schätzen und verstehen die Lage sehr wohl«, sagt Bryce zu jemand anders. »Und es ist uns klar, dass sich niemand um den Job schlagen wird. Vielleicht können Sie und die Jungs von der Feuerwehr ja eine Münze werfen – das war jetzt nur ein Scherz. Ich bin sicher, dass die auf dem Löschboot auch einen Rettungskorb haben wie Sie. Natürlich keine Drainagebeutel oder Halskrausen und so weiter. Und selbstverständlich ist die Feuerwehr besser ausgerüstet, um anschließend alles mit ihren großen Wasserkanonen abzuspritzen. Na und? Für uns spielt das nicht die geringste Rolle. Es muss uns nur jemand helfen, sie ans Ufer zu schaffen. Dann übernehmen wir.« Er schaut auf die Uhr. »In etwa einer Dreiviertelstunde? Kurz nach neun? Das wäre wirklich phantastisch.«
»Was ist?«, frage ich Bryce, als er das Telefonat beendet.
Er stemmt die Hände in die Hüften und mustert mich. »Aber, aber, für eine Bootspartie sind wir heute Morgen nicht richtig angezogen, was?« Er betrachtet das graue Nadelstreifenkostüm und die Pumps; schließlich muss ich heute noch zum Gericht. »Ich bringe dir rasch ein paar Klamotten, denn in den Sachen, die du da anhast, kannst du unmöglich mit der Küstenwache rausfahren. Oder willst du so eine Wasserleiche rausfischen? Zum Glück haben wir nicht Juli, nicht dass das Wasser hier jemals richtig warm wäre. Und ich hoffe sehr, dass sie nicht zu lange dort gelegen hat, das mag ich nämlich gar nicht. Tut mir leid, aber wir wollen doch offen sein. Wem gefällt so etwa schon? Natürlich ist mir klar, dass sich niemand absichtlich in einen derart widerwärtigen Zustand versetzt. Falls ich einmal sterben und mich in so etwas verwandeln sollte, finde mich bitte nicht.«
Er geht zu meinem Schrank, um die Einsatzuniform zu holen.
»Deshalb ist den Jungs von der Küstenwache ja auch so mulmig, und sie haben schließlich allen Grund dazu.« Er redet immer weiter. »So etwas will keiner an Bord haben. Aber keine Sorge, sie erledigen das, weil ich sie ganz nett drum gebeten habe. Außerdem habe ich sie daran erinnert, dass, wenn du, also die Chefin, nicht wüsstest, was man in so einem Fall
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