Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
wurde.
»Das Logo des AFME .« Sie zeigt auf das Kartenspiel auf dem Computerbildschirm. »Wild Bill Hickok, auch Billy genannt, wurde in Deadwood, South Dakota, umgebracht. Und was es bedeutet? Tja, Tante Kay, ich hoffe nur, dass es kein Mensch aus deiner Vergangenheit ist.«
»Was bringt dich denn auf diesen Gedanken?«
»Zum Beispiel, dass derjenige eine vorübergehende kostenlose E-Mail-Adresse benutzt hat, die sich innerhalb von dreißig Minuten von selbst löscht, also praktisch in Luft auflöst?«, entgegnet Lucy. »Gut, das ist nicht so ungewöhnlich, weil jeder x-Beliebige so etwas tun könnte. Hinzu kommt aber, dass diese Person dir die E-Mail durch einen kostenlosen und anonymen Server hat zukommen lassen. In diesem Fall war es ein ganz besonders gut abgesicherter, dessen Host-Name nicht zu ermitteln ist. Standort ist Italien.«
»Also kann niemand auf die Mail antworten, weil das vorübergehende Konto nach dreißig Minuten gelöscht wird und nicht mehr existiert.«
»Richtig.«
»Und niemand kann die IP aufspüren und herausfinden, von wo aus die Mail verschickt worden ist«, folge ich ihrem Gedankengang.
»Genau darauf verlässt sich der Absender.«
»Und wir sollen annehmen, dass die Mail von jemandem in Italien stammt.«
»In Rom«, ergänzt sie.
»Doch das ist nur ein Trick.«
»Richtig«, erwidert sie. »Wer auch immer dir diese Mail geschickt haben mag, er war um halb sieben Uhr gestern Abend unserer Zeit ganz sicher nicht in Rom.«
»Was ist mit der Schriftart?« Ich betrachte noch einmal die Betreffzeile der Mail.
ZU HÄNDEN VON MEDICAL EXAMINER KAY SCARPETTA
»Hat die eine Bedeutung?«, erkundige ich mich.
»Sehr retro. Erinnert an die Fünfziger und Sechziger. Die großen, quadratischen Buchstaben mit den abgerundeten Ecken sollen den Fernsehgeräten jener Zeit ähneln.
Deiner
Zeit«, hänselt sie mich.
»Bitte nimm mich so früh am Morgen nicht auf den Arm.«
»Eurostile wurde von dem italienischen Schriftendesigner Aldo Novarese entwickelt«, fährt sie fort. »Die Schrift wurde ursprünglich für eine Schriftgießerei in Turin namens Nebiolo entworfen.«
»Und was heißt das deiner Ansicht nach?«
»Keine Ahnung.« Sie zuckt die Achseln.
»Eine mögliche Verbindung nach Italien?«
»Das bezweifle ich. Ich glaube, der Absender ist davon ausgegangen, dass du die wahre IP -Adresse nicht aufspüren kannst«, erwidert sie, und ich weiß, was jetzt gleich kommt.
Und was sie getan hat.
»In anderen Worten«, spricht sie weiter, »dass wir den tatsächlichen Ort, von dem sie stammt, nicht in Erfahrung bringen können, nämlich …«
»Lucy«, falle ich ihr ins Wort. »Ich möchte nicht, dass du solche Schritte unternimmst.«
Sie hat es bereits getan.
»Diese anonymen kostenlosen Angebote gibt es zuhauf«, fährt sie fort, als könnte sie kein Wässerlein trüben.
»Ich will nicht, dass du dich in irgendeinen anonymen Server in Italien oder sonst irgendwo einloggst«, teile ich ihr rundheraus mit.
»Die Mail wurde dir von jemandem geschickt, der Zugriff auf das LAN -Netzwerk am Logan Airport hatte.«
»Die Mail kam vom Bostoner Flughafen?«
»Der Videoclip wurde dir aus dem LAN -Netzwerk am Logan Airport geschickt, das sind mal gerade verdammte zehn Kilometer von hier«, bestätigt sie. Also ist es kein Wunder, dass sie dahinter jemanden vermutet, den wir kennen.
Ich denke an Bryce Clark, meinen Verwaltungschef, an Pete Marino und an einige andere Forensikexperten in diesem Gebäude. Ein paar Mitarbeiter des CFC waren letzte Woche auf der Jahrestagung der International Association for Identification in Tampa, Florida. Alle sind gestern gemeinsam zurück nach Boston geflogen, und zwar um dieselbe Zeit, als die anonyme Mail ans CFC gesendet wurde.
»Irgendwann gestern Abend, kurz vor sechs«, erklärt Lucy, »hat sich die betreffende Person in das kostenlose Netzwerk am Flughafen eingeloggt, wie es jeden Tag Tausende von Fluggästen tun. Das bedeutet aber nicht, dass der Absender der Mail sich tatsächlich in einem Terminal oder an Bord eines Flugzeugs befunden hat.«
Derjenige hätte auch in einem Parkhaus sein können, fährt sie fort, auf einem Gehweg, in einem Wassertaxi, auf einer Fähre am Hafen oder sonst irgendwo innerhalb der Reichweite des Funksignals. Sobald dieser Mensch im Netz war, hat er ein vorübergehendes E-Mail-Konto mit dem Namen
BLiDedwood@stealthmail
eingerichtet und vermutlich ein Textverarbeitungsprogramm benutzt, um den Betreff in
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