Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Sicherheit?« Als ich eine Schublade öffne, finde ich das Gesuchte, ein Taschenmaßband, wie wir es in unseren Tatortkoffern haben.
»Ich weiß, was die Piloten des Sikorsky bei der Flugsicherung gemeldet haben«, erwidert Lucy. »Ich war gerade in Hanscom gestartet und habe die Frequenz von Logan auf Kanal zwei mitgehört, als der S- 76 , Channing Lotts Helikopter, wie ich später herausfand, die Anflugkontrolle angefunkt hat. Sie haben angegeben, sie kämen aus Beverly und hätten eine Anfrage. Sie wollten im Außenhafen Filmaufnahmen machen.«
Ich besprühe das starre Metallband mit Desinfektionsmittel, damit es auch sicher keimfrei ist.
»Oh, der hat ja eine ordentliche Platzwunde am Hinterkopf«, stellt Lucy fest. »Jetzt, wo die Haare abrasiert sind, sieht man es erst richtig.«
»Wann hast du den Funkspruch denn mitgehört?« Ich betrachte die Autopsiefotos auf ihrem Computerbildschirm.
»Etwa zwei Stunden nachdem dir die Leiche in der Bucht gemeldet wurde«, antwortet sie.
»Eindeutig stumpfe Gewalteinwirkung, kein scharfkantiger Gegenstand«, merke ich an. »Man erkennt, wo das Gewebe eingerissen ist. Und tiefer in der Wunde gibt es Verbindungsstege.« Ich zeige ihr die Nerven, Blutgefäße und anderen Gewebeteile, die die klaffende Wunde überbrücken. »Sein Kopf ist gegen eine Fläche geprallt, die keine definierten Kanten hat.«
»Also ist er nicht mit dem Hinterkopf gegen den Rand einer Betonstufe gestoßen.«
»Das bezweifle ich stark.«
»Wie soll man mit dieser Stelle des Kopfes auf dem Boden aufschlagen?« Lucy betastet ihren eigenen Hinterkopf dort, wo der Schädel mit dem Nacken verbunden ist.
»Das beschäftigt mich auch«, stimme ich zu.
Ich beuge mich über sie und klicke die anderen Autopsiefotos an.
»Ein offener, leicht eingedrückter Trümmerbruch«, verkünde ich. »Intrakranielle und intrazerebrale Blutungen.«
Beim Weiterschauen lege ich die Hand auf Lucys Schulter und bin wie immer überrascht von ihren Muskeln.
»Ein subdurales Hämatom, dazu überlagernde Prellungen und Blutungen. Also ein heftiger Schlag auf den Hinterkopf, der allerdings nur zu einer geringen Schwellung geführt hat. Er hat nicht mehr lange gelebt.« Ich wende mich wieder dem Fender zu und fange an, ihn zu vermessen. »Weiß Marino, was Toby getan hat?«
»Wahrscheinlich wäre es ratsam, wenn sich ihre Wege in den nächsten hundert Jahren nicht mehr kreuzen.«
Der Fender besteht aus strapazierfähigem Vinyl und ist hundertfünfzig mal fünfzig Zentimeter groß. Als ich Lucy frage, ob die Maße eine Bedeutung haben, klappern Tasten – sie informiert sich im Internet.
»In der Schifffahrt ist das ein ziemlicher Brocken«, erwidert sie. »Fender benutzt man normalerweise bei Yachten.«
»Und er ist nicht aufblasbar«, füge ich hinzu. »Wenn dieser Fender an Bord und nicht draußen an der Seite des Rumpfs aufbewahrt wurde, muss es also ein recht großes Boot sein. Anfangs habe ich angenommen, dass der Täter ihn neu gekauft hat wie den Hundekäfig oder das Katzenstreu, um so zu verhindern, dass man die Herkunft der Gegenstände nachvollziehen kann.«
Ich reinige das Maßband, lege es zurück in die Schublade und wechsle die Handschuhe.
»Aber man sieht, dass dieser Fender an etwas gescheuert hat, ein Hinweis darauf, dass er nicht neu ist«, erkläre ich. »Er ist gebraucht. Vielleicht stammt er von einem größeren Schiff.«
»Jemand mit Geld«, stellt Lucy fest. »Channing Lott hat in Boston eine fünfzig Meter lange Yacht liegen. Manchmal ankert sie auch in Gloucester. Sie ist nicht zu übersehen.«
»Warum der Flugplatz in Beverly?«, frage ich, weil mich interessiert, ob es einen bestimmten Grund gibt, seinen Helikopter dort zu parken.
»Er hat einen Hangar in Beverly und noch mehrere andere an verschiedenen Orten«, erklärt Lucy. »Beverly ist in der Nähe von Gloucester, wo er eine Villa am Meer hat, nämlich die, aus der seine Frau verschwunden ist.«
Ich öffne einen großen schwarzen Plastikkoffer und hole eine alternierende Lichtquelle und eine Brille heraus. Lucy dämpft die Beleuchtung im Raum. Dann fange ich mit blauem Licht an und leuchte das schwarze T-Shirt ab. Eine Galaxie aus Fasern und Schmutz schimmert in verschiedenen Farben und Helligkeitsstufen. Die grell orangefarbenen Kringel und auch die bunten sind vermutlich Synthetikfasern. Die derberen stammen wahrscheinlich von einem Teppich. Das Kleidungsstück ist vorn und hinten voller Baustaub, Schmutz, Lacksplittern,
Weitere Kostenlose Bücher