Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
auch nichts ändern.«
»Wenn du damit andeuten willst, dass alle meine Mitarbeiter sich nur für ihre Karriere und ihr persönliches Weiterkommen interessieren, finde ich das ziemlich deprimierend.«
»Für sie ist es nie so persönlich wie für dich. Die meisten Leute nehmen sich nämlich einfach, was sie wollen, und kümmern sich einen Scheißdreck um andere.«
»Ich kann nicht glauben, dass wirklich alle so sind.«
»Das behaupte ich ja auch nicht. Schau zum Beispiel mich an.«
»Du bist ganz sicher nicht egoistisch. Ich bezahle dich ja nicht einmal.« Ich suche Handschuhe und eine Maske.
»Weil du es dir gar nicht leisten kannst.«
»Das kann niemand.«
»Im öffentlichen Dienst wird Toby nie so viel verdienen wie bei den Jill Donoghues dieser Welt«, erwidert Lucy, und natürlich hat sie recht. »Er heiratet bald, wünscht sich Kinder und hat sich mit seinem Pick-up finanziell übernommen. Wahrscheinlich haben seine Probleme mit dieser Kiste angefangen. Ständig hat er deshalb herumgejammert, denn offenbar hat er mehr Schulden, als die Karre wert ist. Ganz zu schweigen von dem Geld, das er für seine Tattoos ausgegeben hat.«
»Wie erbärmlich. Ein Mensch wird für ein paar Tätowierungen und einen Pick-up zum Verräter.«
»Der amerikanische Traum. Kauf alles auf Kreditkarte und fahre in den Sonnenuntergang hinein, geschmückt mit Bildchen auf der Haut und Piercings, die man irgendwann bereut.«
»Für sein Verhalten gibt es keine Entschuldigung.« Ich schließe die Tür zum Asservatenraum auf. »Und Jill Donoghue sollte sich schämen.«
»Eigentlich war der Plan brillant.« Lucy folgt mir hinein.
»Luke hätte mir Fotos mailen sollen. Außerdem erwarte ich welche von Machado. Kannst du mal nachschauen?« Ich will nicht hören, wie brillant Donoghue ist.
»Alles nach Recht und Gesetz. Eine gerissene Verteidigerin nutzt alle Mittel, die ihr zur Verfügung stehen.« Lucys Hände, die in blauen Handschuhen stecken, tippen auf der keimabweisenden Tastatur, als sie sich in meine E-Mails einloggt. »Und ihr Mandant verfügte eben zufällig über seine eigenen Piloten und einen Helikopter, der Luftaufnahmen machen kann.«
»Es ist trotzdem ein Jammer, dass Richter Conry nichts von ihren Machenschaften ahnt.«
»Warum sollte ihn das interessieren?«
Das ist eine gute Frage. Rein technisch gesehen hat der Richter nur zugelassen, dass ein Fernsehbeitrag im Gerichtssaal abgespielt wurde, nicht etwa Filmmaterial, das aus dem Helikopter des Angeklagten stammt, denn das hätte er nicht gestatten dürfen. Doch zu diesem Zeitpunkt war die Herkunft der Aufnahmen ja noch nicht bekannt. Und jetzt ist es zu spät.
»Daran ist nichts Ungesetzliches«, fährt Lucy fort. »Vom juristischen Standpunkt aus war alles in Ordnung.«
»Du klingst, als würdest du es gutheißen.«
»Vielleicht hätte ich ja das Gleiche gemacht.«
»Daran zweifle ich keinen Moment«, entgegne ich. Ich möchte nicht näher darauf eingehen, was ich ihr alles zutraue.
Howard Roths Kleidung ist formlos und schmutzig und sieht auf dem wasserdichten weißen Papier verloren aus. Ein weites schwarzes T-Shirt, eine rot karierte Boxershorts aus Baumwolle und weiße Tennissocken, die mit dunklem, fast schwarzem Blut bespritzt sind. Auf einem anderen Tisch an der Wand befinden sich der Hundekäfig, die durchweichten Katzenstreusäcke, das gelbe Seil, die alten Angelhaken und der gelbe Fender. Er ist ein wenig zerkratzt, ein Detail, das mir nicht aufgefallen ist, als er noch nass war.
»Man kann ihr keinen Vorwurf machen, dass sie Toby gesagt hat, alles, was er bei der Arbeit aufschnappt, könnte wichtig sein.« Lucy spinnt das Szenario weiter. »Ganz sicher wolle er doch der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen. Ach, und wie gefiele es ihm eigentlich im CFC ? Habe er sich je Gedanken über seine Zukunft gemacht?«
Während sie weiter beschreibt, wie Donoghue ihrer Theorie nach Toby um den Finger gewickelt hat, suche ich ein Maßband.
»Also sitzt sie vor der Gerichtsverhandlung gestern Morgen mit ihrem Mandanten zusammen. Vielleicht haben sie ja auch schon am Tisch der Verteidigung Platz genommen, als sie eine Mail oder SMS von Toby bekommt. In der Bucht sei gerade eine Frauenleiche gefunden worden. Möglicherweise schildert er ihr ja sogar Einzelheiten, wie zum Beispiel, dass die Leiche lackierte Fingernägel und langes weißes oder blondes Haar hat. Das ist doch ein Geschenk des Himmels.«
»Stellst du nur Vermutungen an, oder weißt du es mit
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