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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Leuten, und sie lesen deine.«
    »Ja, ich weiß, wie sich das anhört, und du hast recht. Ganz sicher hätte ich viel mehr Freunde und würde mehr Antworten kriegen, wenn ich dabei ich selbst sein dürfte, anstatt mich tarnen zu müssen.«
    »Warum ist dir das so wichtig?« Ich mustere ihn, während er langsam an den italienischen Restaurants und Kneipen im North End vorbeifährt. Um diese Uhrzeit sind die Gehwege zwar belebt, doch bis auf Cafés und Bäckereien ist kaum etwas geöffnet.
    »Weißt du, Doc, irgendwann kommt man an einen Punkt, an dem man sehen möchte, wo man hinpasst, mehr nicht«, erwidert er. »So wie der Baum, der im Wald umfällt.«
    Ein nachdenklicher Ausdruck malt sich auf seinem breiten Gesicht. Im Licht der Sonne, die heiß durch die Windschutzscheibe brennt, kann ich die braunen Flecken auf den Rücken seiner muskulösen Hände, die feinen Falten an seinen wettergegerbten Wangen und die tieferen rings um seinen Mund erkennen. Sein kurz gestutzter Bart ist weiß wie Sand. Ich erinnere mich noch an eine Zeit, als er noch genug Haare hatte, um sie über die Glatze zu kämmen. Als er ein Star-Detective war und immer zur Abendessenszeit in seinem Pick-up bei mir vorbeikam. Wir sind zusammen, seit alles begann.
    »Erklär mir das mit dem Baum und dem Wald«, fordere ich ihn auf.
    »Wenn er umfällt, würde es dann jemand hören?«, antwortet er, während wir in einer Seitenstraße, so schmal wie eine Gasse, über die Temposchwellen holpern.
    Am Ende dieser Straße erkenne ich den Battery Wharf und den Innenhafen. Auf der anderen Seite in der Ferne erheben sich die Backsteingebäude von East Boston.
    »Ich glaube, die Frage lautet, ob er ein Geräusch verursacht, wenn niemand da ist, der es hört«, erwidere ich. »Aber du machst immer genug Krach, Marino, so dass wir dich alle gut hören können. Also brauchst du dir darüber nicht den Kopf zu zerbrechen.«

Sieben
    Es weht ein scharfer nordöstlicher Wind, der das Wasser aufwühlt. Wo der Hafen seicht ist, ist es grün, weiter draußen dunkelblau. Ich sitze links vom Steuermann, einem jungen Mann mit markanten Zügen und pechschwarzem Haar, und beobachte, wie Möwen rings um den Pier sich in die Luft erheben und andere wieder darauf landen. Währenddessen macht Marino sich weiter zum Narren.
    Er führt sich großspurig auf und wird laut, als ob es sinnvoll wäre, einem Fünfpunktgurt den Krieg zu erklären, nur weil der unterste Riemen und die runde Schließe fest zwischen den Beinen sitzen müssen. In der Schwimmweste sieht er noch gewaltiger aus als sonst und scheint die halbe Kabine auszufüllen, während er die Hilfe eines Bootsmanns ablehnt. Da ich die Mannschaft erst vor wenigen Minuten kennengelernt habe, weiß ich nur, das er Kletty heißt.
    »Das kann ich selbst«, wehrt Marino barsch ab, obwohl es nicht stimmt.
    Er fingert nun schon seit einer ganzen Zeit an den Gurten herum und versucht, die Schließe zu überlisten, als handle es sich um ein Geschicklichkeitsspiel. Begleitet von ungeduldigem Stöhnen und Zungeschnalzen, müht er sich mit dem Drehknopf ab und versucht, die Verbundstücke in die falschen Schlitze zu stecken. Unterdessen frage ich mich, was Bryce der Küstenwache wohl am Telefon erzählt hat.
    Haben wir dieses Boot seinen Überredungskünsten zu verdanken?
    Eigentlich ist ein zehn Meter langes Defender mit 900   PS und stoßdämpfenden Sitzen, in die wir festgeschnallt sind wie Kampfpiloten, für unsere Zwecke nicht notwendig. Man muss nicht schnell und wendig sein, wenn man niemanden verhaften oder retten will. Im nächsten Moment erinnere ich mich an Gesprächsfetzen des Telefonats, in dem Bryce von verwesenden Leichenteilen, dem Abspritzen des Decks und einem doppelten Leichensack gesprochen hat. Vermutlich eignet sich ein größeres Boot mit einer geschlossenen Kabine besser, um eine solche nicht gesellschaftsfähige Ladung an Land zu bringen.
    »Das ist ziemlich schwierig«, meint der Bootsmann namens Kletty, nachdem er Marino endlich im Sitz hinter mir festgeschnallt hat.
    »Ich brauche das Ding nicht.«
    »Doch, Sir.«
    »Nein, verdammt!«
    »Tut mir leid, aber bevor nicht alle angeschnallt sind, fahren wir nirgendwohin.«
    Dann kontrolliert der Bootsmann meinen Gurt, der korrekt sitzt. Unterer Riemen und Schließe befinden sich dort, wo sie hingehören.
    »Offenbar haben Sie so was schon öfter gemacht«, meint er. Ob er mit mir flirten will? Vielleicht ist er auch einfach nur erleichtert, weil wenigstens ich

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