Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
Dinosaurier, als auf der Erde Leben entstand, wie wir es heute kennen.
Die Lederschildkröte ist mindestens drei, wenn nicht gar dreieinhalb Meter lang. Ihre Kehle bläht sich kläglich, ihre kräftigen Vorderflossen sind mit einem gelben Geschirr, das quer über den Rückenschild verläuft wie eine Zwangsjacke, an die ledernen Seiten gefesselt. Hinten an der Plattform ist eine aufgeblasener Schwimmsack befestigt, der auf dem Wasser treibt. Darauf befindet sich eine Rampe aus Holz, mit der das Ungetüm vermutlich an Bord gezogen worden ist.
»Das ist ja Wahnsinn.« Ungläubig reißt Marino die Augen auf. »Ach du große Scheiße!«, ruft er aus, während ich aufstehe.
Acht
Motoren tuckern im Leerlauf, als wir aus der Kabine kommen. Der ohrenbetäubend ratternde Hubschrauber fliegt so tief, dass ich das Logo des Fernsehsenders und den Piloten auf dem rechten Sitz mühelos erkennen kann. Helles Sonnenlicht spiegelt sich im Wasser, und der Himmel ist absolut klar. Allerdings ziehen vom Nordosten her Kumuluswolken heran wie eine riesige Schafherde, und ich spüre, wie der Luftdruck sinkt und der Wind auffrischt. Heute wird es sicher noch beträchtlich kühler werden und regnen.
»Fünf Meter! Drei Meter!« Sullivan und Kletty befestigen Fender an der Reling und rufen Labella die Abstände zu, während der den Wind nutzt, um längs beizudrehen; wir machen fest.
»Lass mich zuerst rüberklettern, dann könnt ihr mir die Sachen reichen«, schlägt Marino vor. Er geht an Bord des Löschboots und streckt die Hände nach den Tatortkoffern aus.
Labella legt mir schützend die Handfläche auf den Rücken und warnt mich, ich solle auf meine Finger aufpassen, damit sie nicht zwischen Fendern und Reling zerquetscht werden, und außerdem schauen, wo ich hintrete. Die Lücke zwischen den beiden Booten verwandelt sich in einen Abgrund und wird dann wieder schmaler, als er mir erst über die eine, dann über die andere Reling hilft. Dann überquere ich den schwankenden Bug des Löschboots, wo eine schwere Ankerkette aus einem Gehäuse auf das rutschfeste graue Deck führt, zwischen zwei roten Löschkanonen vorn am Boot weiterläuft und schließlich im aufgewühlten blauen Wasser verschwindet.
Marino stellt die Koffer neben der Aluleiter zum Steuerhaus ab. Lieutenant Bud Klemens winkt mir von oben zu und scheint froh, mich zu sehen. Er winkt mich die Leiter hinauf, während Schaulustige das Boot weiter umkreisen wie Meeresvögel. Mit finsterer Miene beäugt Marino den Helikopter, der keine hundertfünfzig Meter direkt über uns kreist.
»Arschloch!« Marino rudert heftig mit den Armen, als wollte er den Luftverkehr regeln. »Hey!«, ruft er zum Boot der Küstenwache hinüber, wo Kletty gerade Taucheranzüge und andere Ausrüstungsgegenstände in einem Rettungskorb verstaut. »Könnt ihr die nicht anfunken oder so? Damit sie ihren Arsch hier wegbewegen?«
»Was?«, antwortet Kletty.
»Die machen der Schildkröte bestimmt eine Scheißangst. Und außerdem pusten die uns mit ihren verdammten Rotorblättern alles weg!«, brüllt Marino. »Die fliegen viel zu tief, diese Idioten!«
Während er den Tatortkoffer öffnet, klettere ich zu Klemens hinauf, dem Kommandanten der maritimen Einheit, die am Burroughs Wharf, nicht weit von der Küstenwache und dem New England Aquarium, stationiert ist. Oben an der Leiter hält mir ein zweiter Feuerwehrmann, dessen Namen ich vergessen habe, die Hand hin. Ich versuche, auf dem in den Wellen schaukelnden Oberdeck das Gleichgewicht zu behalten.
»Ich fürchte, es wird gleich noch schlimmer«, sagt der Feuerwehrmann. Er ist kräftig gebaut und hat kurzgeschnittenes weißes Haar und ein Bärentattoo auf der muskulösen linken Wade. »Je schneller wir es hinter uns bringen, desto besser.«
Beide Männer tragen Sommeruniformen, bestehend aus marineblauen Cargoshorts und T-Shirts. Die Funkgeräte haben sie über der Schulter hängen. Außerdem hat Klemens eine Fernbedienung an einem Riemen um den Hals, die aussieht wie eine hochtechnisierte Playstation. Damit kann er von jedem Punkt des Bootes die vier Jet-Motoren auch während des laufenden Betriebs steuern.
»Ich bin Jack.« Der Feuerwehrmann mit dem Bärentattoo erinnert mich daran, wo wir uns zuletzt begegnet sind. »Die
Sweet Marita,
das Fischerboot, das letztes Jahr in der Nähe von Devils Back ausgebrannt ist? Eine schlimme Sache.«
»Ja, richtig.« Ein Leck in einer Flüssiggasleitung hat eine Explosion verursacht, die drei Menschen das
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