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Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)

Titel: Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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gewickelt hatte.«
    »Also hing er nicht an derselben Leine wie die Leiche?« Ich verstehe nicht ganz.
    »Nicht direkt. Er hatte sich in fünfzehn Meter lange Schnüre aus Monofilament verwickelt, und zwar mit drei Stück, ausgestattet mit Vorfächern aus Draht und verrosteten Haken. Vermutlich hat sich das Zeug irgendwann vom Schwimmer gelöst, wurde von der Strömung abgetrieben und hat sich schließlich mit dem Tau der Boje verknotet.«
    Er zeigt auf das an dem gelben Fender.
    »Und dann blieb die Schildkröte an der Angelschnur hängen. Aber wie ich schon sagte, ist das nur eine Vermutung«, fügt Klemens hinzu. »Genaueres wissen wir erst, wenn alles geborgen ist. Wie ich annehme, erledigen Sie das.«
    »Ja, sobald wir hier fertig sind und die Schildkröte wohlbehalten außer Reichweite ist.«
    »Offenbar sind die Verletzungen nur sehr oberflächlich, weshalb man nicht versuchen wird, das Tier zu transportieren. Nicht dass das überhaupt möglich wäre«, erwidert Klemens. »Dazu bräuchte man einen Tieflader. Außerdem hätte er in der Tierklinik sowieso nicht überlebt. Das hat bis jetzt noch nie eine Lederschildkröte aus dieser Gegend geschafft. Die Viecher kennen nur das offene Meer, wo sie zwischen den Kontinenten hin und her schwimmen. Wenn man sie in ein Aquarium sperrt, schwimmen sie so lange gegen die Scheibe, bis sie sich den Schädel einrennen. Hochseelebewesen verstehen nicht, was eine Wand ist. Erinnert mich irgendwie an meinen sechzehnjährigen Sohn.«
    Ich beobachte die Rettungsmannschaft mit ihren grünen Windjacken und Latexhandschuhen. Die Lederschildkröte bläht die Kehle und stößt dabei ein unheilverkündendes Pfeifen und Glucksen aus. Dann betrachte ich das helle, bewegte Wasser und überlege, was zu tun ist. Inzwischen werden wir von mindestens einem Dutzend Booten umringt, angelockt von den roten Blinklichtern und dem beeindruckenden Geschöpf an Bord. Ich male mir lieber nicht aus, was bereits im Internet nachzulesen ist.
    Beim Bergen einer Leiche kann ich kein Publikum gebrauchen. Ich will nicht, dass die Prozedur mit Smartphones oder Fernsehkameras gefilmt wird. Warum muss ich ausgerechnet jetzt eine Tote aus dem Wasser holen? Beklommen denke ich an Mildred Lott und meine leichtfertige Bemerkung, sie könnte sich in Seife vewandelt haben.
    »Das blonde Mädchen da« – Klemens weist mit dem Kopf auf Dr. Pamela Quick – »sagt, so eine große Schildkröte hätten sie noch nie gesehen. Vielleicht sei es sogar die größte, die je entdeckt worden ist, fast drei Meter lang und mehr als eine Tonne schwer. Könnte hundert Jahre alt sein. Schauen Sie gut hin, Doc, denn so etwas bekommen Sie sicher nicht mehr zu Gesicht. Inzwischen überleben diese Tiere nicht mehr lang genug, um so zu wachsen, weil sie mit Booten kollidieren oder Müll wie Plastiktüten oder Luftballons fressen, da sie das Zeug mit Quallen verwechseln. Wieder ein Beispiel dafür, wie wir diesen Planeten zerstören.«
    Zwei Leitersprossen führen von der Taucherplattform zum Bergungsdeck unter uns, wo sich nun vier Meeresbiologen zwischen Bergen von Handtüchern und Laken sowie Hartplastikkoffern und Skihüllen drängen, die Notfallmedikamente, Rettungsutensilien und medizinische Gerätschaften enthalten. Da der Wind aus der Richtung der Lederschildkröte zu mir hinüberweht, steigt mir ihr salziger Geruch in die Nase, und ich höre, wie sie an der Plattform scharrt und sich gegen die Fesseln stemmt. Jede ihrer langsamen und schwerfälligen Bewegungen zeugt von einer enormen Körperkraft. Ihr laut keuchender Atem erinnert mich an das Strömen von Luft durch eine Sauerstoffflasche. Dann bläht sich wieder ihr Hals, und sie stößt ein tiefes, kehliges Brüllen aus, das mich an Löwen, Drachen und King Kong denken lässt.
    »Wenn man an einem dunklen Strand plötzlich so was hinter sich hört, kriegt man einen Herzinfarkt«, meint Klemens.
    »Was haben sie bis jetzt gemacht?«, frage ich.
    »Die Schnüre abgeschnitten.«
    »Hoffentlich haben sie sie aufbewahrt.«
    »Wie sollten die Ihnen weiterhelfen?«
    »Das weiß ich erst, wenn ich sie sehe«, erwidere ich.
    »Das PIT hat ihn vor Ihrem Eintreffen gechipt. Gegen Spritzen hat er etwas, so viel steht fest.«
    Pamela Quick bohrt eine Nadel tief in den Hals des Tiers, um ihm Blut abzunehmen, während ein anderer Tierretter, ein junger Mann mit zerzaustem braunem Haar, ein Digitalthermometer abliest. »Die Temperatur ist um zwei Grad gestiegen«, verkündet er. »Er

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