Knochenbett: Kay Scarpettas 20. Fall (German Edition)
ich die Asservatenbeutel mit der Angelausrüstung nehme, die Pamela Quick mir gegeben hat. Dann greife ich nach dem Behälter mit der Muschelscherbe aus dem Rücken der Lederschildkröte.
Gefolgt von dem rumpenden Transporter treten wir in die Anlieferungszone. Die Fahrertür öffnet sich, und Toby springt heraus. Er ist in Uniform und hat eine Baseballkappe auf dem rasierten Schädel, eine Mode, die meiner Ansicht nach Marino in die Welt gesetzt hat. Es wundert mich immer wieder, welchen Einfluss er ausübt, offenbar ohne es zu bemerken. Inzwischen rasiert sich mindestens die Hälfte meiner männlichen Ermittler den Schädel, bis er glänzt wie eine Billardkugel, und lässt sich tätowieren, so auch Toby, dessen linker Arm von einem lückenlosen Muster geziert wird, das mich an Graffiti in der U-Bahn erinnert.
Gegen den Marino-Faktor, wie ich diesen Nachahmungseffekt bei meinen Ermittlern nenne, ist niemand gefeit. Ich habe gehört, dass Sherry sich
Mortui vivos docent
auf den Rücken tätowieren lassen und außerdem mit dem Boxen angefangen hat. Barbara fährt jetzt eine Harley.
»Wie lautet der Plan?« Toby zieht Handschuhe an und öffnet die Heckklappe. »Soll sie in den Raum für verwesende Leichen? Ich nehme an, dass sie ein Mordopfer ist und bereits tot war, als sie ins Wasser geworfen wurde, damit sie versinkt, richtig? Schon eine Vermutung, wer sie sein könnte?«
»Wir müssen uns noch kurz mit ihr befassen, bevor sie in die Kühlkammer kann«, erwidert Marino barsch.
»Kümmern Sie sich morgen früh um sie?«
»So lange werde ich ganz sicher nicht warten«, antworte ich ihm. »Sobald ich bei Gericht fertig bin, komme ich wieder. Sie wird ziemlich schnell zerfallen. Also bringen wir sie direkt in den Verwesungsraum, kontrollieren ihre Temperatur und machen ein paar Fotos. Wiegen und messen können wir sie später.«
Toby entriegelt die Räder des Rollwagens mit dem schwarzen Leichensack darauf, der gleichzeitig überdimensional und kläglich flach wirkt, als sei der Inhalt unterwegs geschrumpft.
»Was ist mit dem anderen Kram?«, erkundigt er sich.
Hinten im Transporter liegen die mit schwarzer Plastikfolie geschützten Gegenstände, die wir in der Bucht sichergestellt haben.
»Das geht alles ins kriminaltechnische Labor, aber nicht jetzt«, erwidere ich. »Erst einmal müssen die Sachen identifiziert werden.«
Ich weise ihn an, einen Tisch mit Einweglaken abzudecken, alle Gegenstände daraufzulegen, sie zu fotografieren und dann die Tür abzuschließen. Wenn ich von Gericht zurückkomme, werde ich die Plastikhüllen entfernen, alles unter die Lupe nehmen und mir überlegen, inwieweit Angelhaken, Fender und die übrigen Fundstücke für Polizei und FBI von Interesse sein könnten. »Gleich morgen früh bringen wir alles dann ins kriminaltechnische Labor«, teile ich Toby mit und bitte ihn, Ernie Koppel, den Leiter der Abteilung, schon einmal vorzuwarnen.
»Alles wird abgeschlossen und gesichert«, betone ich. »Niemand fasst ohne vorherige Absprache mit mir etwas an.«
Sie heben den Rollwagen aus dem Transporter, knallen die Heckklappe zu und schieben die Leiche ins Gebäude und in Richtung des Raums für verwesende Leichen, während sich das Tor mit einem lauten Rattern wieder schließt. Ich steuere auf die Pförtnerloge zu, um noch einen Blick ins Eingangsbuch zu werfen, und bin erleichtert, dass in der Zwischenzeit keine neuen Fälle eingeliefert worden sind. Die beiden Verkehrstoten wurden obduziert und ihre Leichen vom Bestatter abgeholt. Also müssen nur noch das Schädel-Hirn-Trauma und die Überdosis freigegeben werden. Ich stelle fest, dass Luke Zenner die Autopsien durchgeführt hat, womit ich auch gerechnet hatte. Es ist typisch für ihn, die schwierigsten Fälle anzufordern oder sie sich selbst zuzuteilen, weil er Erfahrungen sammeln will und die Herausforderung liebt.
»Gibt es da etwas, was ich wissen müsste?«, frage ich Ron durch die offene Luke.
»Nein, Ma’am, Chief«, erwidert er. An drei Wänden seines Büros sind in Quadranten unterteilte Überwachungsbildschirme angebracht, von denen jeder sicherheitsrelevante Bereiche innerhalb und außerhalb des Gebäudes zeigt. »Es war ziemlich ruhig. Nur zwei Abholungen. Eine ist noch unterwegs.«
»Wir gehen rasch in die Abteilung für verweste Leichen. Dann muss ich zu Gericht«, erkläre ich ihm. »Hoffentlich halten die mich nicht zu lange auf. Anschließend kommen Marino und ich hierher zurück und kümmern uns um den
Weitere Kostenlose Bücher