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Knochenfinder

Knochenfinder

Titel: Knochenfinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Lahmer
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abgelehnt.« Sie hob die Schultern an und steckte die Hände in die Hosentaschen.
    »Du willst weg von hier? Wieso?« Er klang beinahe entsetzt.
    »Ich möchte zurück ins Rheinland. Die Kölner Altstadt, die Kulturszene, die netten und offenen Leute – all das fehlt mir hier mehr, als ich dachte.«
    »Wenn dir die Kripo zu langweilig ist, dann wechsel doch in unsere Abteilung. Wenn du draußen auf Streife unterwegs bist, lernst du mehr über die Gegend hier kennen, als du jemals über Köln wusstest. Warst du überhaupt schon mal richtig außerhalb der Stadt?« Eine kleine Strähne hing über seinem Auge, und er schob sie mit dem Zeigefinger nach hinten.
    Natascha schüttelte den Kopf. »Ich bin bisher noch nicht dazu gekommen. Außer der Oberstadt mit den kleinen schieferbedeckten Häusern habe ich noch nichts Besonderes hier entdeckt.«
    »Na, dann wird es aber wirklich Zeit. Du solltest mal an einem freien Tag ein paar der Wanderwege ausprobieren und hinterher ein ordentliches Pils in der Oberstadt trinken. Wir haben hier ganz gemütliche Kneipen!«
    Natascha lachte. »Mit einem netten Fremdenführer macht das bestimmt Spaß. Dann wäre ich auch bereit, mich die Berge hochzuquälen.«
    »Abgemacht!« Simon grinste über das ganze Gesicht. »Sag mir einfach Bescheid, wann du Zeit hast.«
    Natascha zwinkerte ihm zu und ging dann an ihm vorbei zur Treppe. Dabei berührten sich kurz ihre Hände. Es prickelte wie beim Kontakt mit schwacher Elektrizität.

Kapitel 4
    Hannes Winterberg saß auf seinem Sessel im Wohnzimmer, ihm gegenüber auf dem Sofa sein ältester Sohn Niklas, etwas weiter entfernt, auf dem Zweisitzer, seine Frau. Ute hatte ihn kurz vor der Mittagspause im Büro angerufen und gebeten, schnell nach Hause zu kommen: Sie habe ein Schreiben von Niklas’ Schulleitung im Briefkasten gefunden.
    Winterberg konnte nicht gerade behaupten, dass ihn so etwas überraschte. Vor einigen Wochen hatte sich Niklas vom pickligen und unsicheren Jüngling in einen eigensinnigen Teenager verwandelt, der sich keinem Erwachsenen mehr anvertraute und sich immer aggressiver verhielt. Dass er damit nicht nur Konflikte mit seinen Eltern hervorrief, sondern auch in der Schule, war abzusehen gewesen. Doch immer wenn Winterberg mit Ute über dieses Problem redete, nahm sie Niklas in Schutz und deutete seine neue Verhaltensweise als einen durchweg positiven Abnabelungsprozess. Winterberg sah das zwar anders, unternahm aber letztendlich doch nichts, weil er das unbestimmte Gefühl nicht loswurde, dass er wegen seiner beruflichen Erfahrungen als Kriminalhauptkommissar vielleicht überreagierte.
    Und nun war das Kind in den Brunnen gefallen.
    Niklas, der sich auf die Couch gelümmelt und die Arme vor der Brust verschränkt hatte, verteidigte sich wütend.
    »Ich hab nichts gemacht!«, stieß er nun hervor, wobei sein Zungenpiercing zu sehen war.
    Winterberg versuchte, den Zungenschmuck seines Sohnes zu ignorieren. Er spürte ein seltsames Kribbeln auf der Kopfhaut, als stünden seine graublonden Locken wie elektrisierte Stahlwolle vom Kopf ab. Unwillkürlich krallte sich die eine Hand in die Armlehne des Cordsessels, die andere zerdrückte das Schreiben der Schuldirektorin. Nur mühsam gelang es ihm, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Das höre ich tagtäglich. Niemand hat jemals irgendetwas gemacht, und wir Polizisten gehen grundsätzlich immer von den falschen Annahmen aus.«
    Winterberg imitierte ein gelangweiltes Gähnen und hielt sich die Hand vor den Mund.
    Niklas pustete eine schwarz gefärbte Haarsträhne aus der Stirn und sah seinen Vater trotzig an. »Und weil die Typen bei euch immer lügen, unterstellst du das auch deinem Sohn. Na super.«
    Winterberg hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Vor seinem inneren Auge entstand ein entsetzliches Bild. Er sah Niklas im Schmutz einer Bahnhofstoilette liegen – den Körper verdreht, die Nadel steckte noch im Arm, der zusammengezurrte Ledergürtel darüber drückte die Venen ab. Neben ihm sein Kumpel Marco. Mit zusammengebissenen Zähnen verbannte er das Trugbild aus dem Kopf und sah seinem Sohn in die Augen.
    »Nein, ich unterstelle dir nicht, dass du lügst. Ich möchte nur wissen, was du mit der ganzen Sache zu tun hast.« Das Schreiben in seiner linken Hand zitterte; mit der rechten, die er zur Faust geballt hatte, hämmerte er so lange auf die Sessellehne, bis es schmerzte. »Verdammt noch mal! Ich bin Polizist, und mein Sohn wird von der Schule zum

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