Knochenfunde
hatte angefangen zu regnen.
Im fahlen Licht der Dämmerung wirkte der Sumpf düster und be-
drohlich.
»Hast du Galen erreicht?«
Als Eve sich umdrehte, stand Joe in der Tür. »Ja, Jane geht es gut.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Er wollte herkommen, um uns zu unterstützen. Er sagt, in Sümpfen kennt er sich aus. Ich habe ihm gesagt, dass wir ihn nicht brauchen.«
»Gott sei Dank. In meiner derzeitigen Verfassung könnte ich Galens Humor nicht ertragen. Dieser Dufour geht mir schon genug auf die Nerven. Der kann froh sein, wenn er den Ausflug in den Sumpf überlebt.«
»Hast du von deinen Kollegen irgendwas über Jennings in Erfahrung gebracht?«
Joe schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Das FBI hat die Durchführung der forensischen Untersuchungen an sich gezogen, aber der Chief versucht, genug Druck zu machen, damit er die Ergebnisse bekommt, sobald sie vorliegen. Ich habe Carol gebeten, mich anzurufen, sobald die Berichte auf irgendeinem Schreibtisch landen.« Er verzog das Gesicht. »Und Rusk ist ziemlich sauer darüber, dass wir uns verkrümelt haben, bevor seine Leute uns in Georgia aufsuchen konnten. Er hat einen Riesenaufstand gemacht. «
»Pech.«
»Das hab ich auch gesagt.« Joe überlegte. »Ich nehme nicht an, dass du einverstanden wärst, wenn ich allein zu Dufours Vetter ginge?«
»Nein.«
»Ich kenne mich auch ziemlich gut in Sümpfen aus. Das habe ich in Nicaragua gelernt, als ich bei der SEAL war.«
»Davon bin ich überzeugt. Und du kannst es kaum erwarten an-
zuwenden, was du da gelernt hast.«
»Genau.« Er schaute sie so durchdringend an, dass ihre Augen
sich vor Entsetzen weiteten. »Du bist nicht die Einzige, die wütend ist. Ich hätte dich beinahe verloren. Dafür wird er bezahlen.«
O Gott.
Endlich gelang es ihr, ihren Blick abzuwenden. »Ich komme
mit.«
»Ich wollte es wenigstens versuchen.« Er wandte sich ab. »Wir sehen uns morgen früh. Ich habe das Zimmer neben dir. Wenn du mich brauchst, ruf einfach.«
Eine Zeit lang stand Eve wie gebannt da und starrte auf die Tür, die sich hinter ihm geschlossen hatte.
Nach einer Weile riss sie sich los und trat wieder ans Fenster.
Wenn du mich brauchst, ruf einfach.
Ihre Hand umklammerte den Vorhang. Sie brauchte ihn nicht.
Aber sie sehnte sich nach ihm.
Siebzehn
13.10 Uhr
26. Oktober
»Wie weit ist es noch?«, fragte Eve. »Es kommt mir allmählich so vor, als würden wir schon ein paar Jahre in diesem Boot sitzen.«
»Nur vier Stunden.« Dufour manövrierte das Motorboot um eine
riesige Mangrovenwurzel herum, die aus dem Wasser ragte. »Diese Bayous winden sich wie Aale. Sie können von Glück reden, dass Sie mich als Führer haben.« Er schaute Joe kurz an. »Vielleicht zahlen Sie noch etwas drauf, damit ich Sie wieder hier rausbringe.«
»Sie strapazieren meine Nerven«, sagte Joe, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
»Sich in einem Sumpf zu verirren, ist sehr gefährlich.«
»Ich werde mich nicht verirren.« Joe sah Dufour ins Gesicht.
»Ich habe mir jede Biegung gemerkt, seit wir aufgebrochen sind.
Soll ich Ihnen die Strecke beschreiben?«
Dufour blinzelte. »Nein.« Dann konzentrierte er sich wieder auf das schlammige Wasser vor ihm. »Können Sie keinen Spaß vertra-gen? Abgemacht ist abgemacht.«
Joe lächelte. »Ganz meiner Meinung.«
Eve zweifelte nicht daran, dass Joe zu wissen glaubte, wo sie waren, doch sie konnte es sich nicht vorstellen. Das Wetter war kühl und feucht, und seit sie die Anlegestelle verlassen hatten, kam es ihr vor, als befänden sie sich in einer fremden Welt. Dürre Zypressen bildeten ein dunkles Dach über dem schmalen, schlammigen Was-serlauf. Braunschwarze Schlangen glitten hin und wieder am Boot vorbei, und kahle Bäume klammerten sich verzweifelt im sumpfigen Grund fest, versuchten, in dieser feindseligen Umgebung zu überleben. Und die Vegetation war nicht das Einzige, was ums Überleben kämpfte.
»Was sind das für Hütten auf den kleinen Inseln? Wohnen da
Leute drin?«, fragte Eve.
»Meinem Vetter würde es gar nicht gefallen, wenn Sie sein Zu-
hause als Hütte bezeichnen. Sein Haus sieht so ähnlich aus. Allerdings werden diese hier in erster Linie von Fischern und Jägern als Unterschlupf benutzt«, sagte Dufour. »Aber tiefer in den Sümpfen gibt es Leute, die dort wirklich leben und jagen. Ich sagte Ihnen ja, dass die Leute hier arm sind. Sie haben nicht den Mut, von hier weg-zugehen und richtig Geld zu verdienen, so wie ich das mache, und sie sind
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