Knochenfunde
das allein nicht geregelt?«
»Jesses, das war aber ein Schlag unter die Gürtellinie. Sie sind ganz schön kratzbürstig. Man hat mir schon öfter gesagt, Sie seien auf der Straße aufgewachsen. Ich glaube es unbesehen.«
»Und was ist mit Ihnen? Atlanta ist bestimmt kein härteres Pflas-ter als Liverpool.«
»Da haben Sie allerdings Recht.« Galen nickte. »Also gut. Quinn bleibt aus dem Spiel.«
Er schloss die Tür hinter sich.
Quinn bleibt aus dem Spiel.
Die Worte hallten in ihrem Kopf wider. Joe Quinn gehörte seit so langer Zeit zu ihrem Leben, dass es fast unvorstellbar war, ihn nicht in der Nähe zu haben. Sie würde Zeit brauchen, um sich daran zu gewöhnen.
Würde sie sich an ein Leben ohne Joe gewöhnen können? Eve
war sich nicht sicher, ob es ihr schwerer fallen würde, die Beziehung zu ihm abzubrechen oder mit dem zu leben, was er ihr angetan hatte.
Sie wusste es nicht, und sie wollte jetzt nicht darüber nachdenken.
Sie wollte an nichts anderes denken als an die Arbeit, die vor ihr lag.
Sie würde die Rekonstruktion durchführen, dann würde sie vielleicht Jane nachkommen lassen und eine Weile mit ihr in New Orleans
verbringen. Es wäre nicht schlecht, ein bisschen mehr von der Welt zu sehen. Sie musste nicht nach Hause fahren.
Und die Vorstellung, Marie Letaux könnte versucht haben, sie
umzubringen, war ebenso abstrus wie das hässliche Bild, das Galen von Maries Tod beschrieben hatte. So kaltblütig konnte niemand sein.
Doch, das war durchaus denkbar. Bonnies Mörder war ein sol-
ches Ungeheuer gewesen, und sie hatte noch andere Mörder dieses Kalibers gekannt. Sie wollte einfach mit dieser Art von Horror nichts zu tun haben, jetzt wo sie versuchte, ihren eigenen Horror durchzustehen. Sie wollte einfach nicht, dass es die Wahrheit war.
Vielleicht war es das auch nicht. Aufgrund seiner Erfahrung war Galen einfach allem und jedem gegenüber misstrauisch. Sollte er misstrauisch sein. Sollte er sie ruhig beschützen. Schaden konnte es immerhin nicht.
Jedenfalls nicht, solange er sie nicht von der Arbeit abhielt.
»Ich weiß, dass Ihnen das nicht passt, Jules«, sagte Melton. »Ich habe versucht, sie dazu zu bringen, dass sie ihn sich vom Hals schafft, aber da war nichts zu machen. Ich werde die Sache ruhen lassen und ein paar Leute anrufen. Vielleicht können die so viel Druck auf ihn ausüben, dass er sich zurückzieht.«
»Kümmern Sie sich nicht um den Mann«, sagte Hebert. »Der ist
kein Problem für uns.«
Stille am anderen Ende der Leitung. »Vielleicht sollte ich Ihnen ein Dossier über ihn schicken?«
»Das besitze ich bereits.«
»Und Sie glauben nicht, dass er Ihnen Schwierigkeiten machen
könnte?«
»Ich glaube, dass er uns mehr Unannehmlichkeiten bereitet,
wenn wir versuchen, ihn loszuwerden. Ich möchte, dass sie völlig entspannt ist, wenn sie an dem Schädel arbeitet. Galens Anwesenheit wird dafür sorgen, dass sie sich vollkommen sicher fühlt.«
»Ja, das ist wichtig.« Melton überlegte. »Diese Sache mit der Lebensmittelvergiftung hat mir überhaupt nicht gefallen. War das ein Unfall?«
»Natürlich war das ein Unfall.« Das war die halbe Wahrheit. Es war ein Unfall, dass Eve Duncan nicht gestorben war.
»Ich habe soeben erfahren, dass Marie Letaux vor ein paar Stunden tot aufgefunden wurde. Sie ist einer Lebensmittelvergiftung erlegen.«
»Das sollte Ihnen Beweis genug sein, dass es ein Unfall war.«
»Sollte es das? Und was ist mit den Todesfällen im vergangenen Monat? Dabei handelte es sich angeblich ebenfalls um Unfälle.«
»Das waren sie wahrscheinlich auch.« Dann fügte Hebert spöt-
tisch hinzu: »Sie werden ja allmählich paranoid. Kriegen Sie etwa kalte Füße, Melton?«
»Ich habe das Recht, mir Gedanken zu machen, verdammt.« Mel-
ton holte tief Luft. »Erst die Sache mit Etienne, und jetzt das. Ein weiterer äußerst merkwürdiger Zwischenfall. Die scheinen sich ü-
berall dort zu häufen, wo Sie auftauchen.«
Hebert ging nicht darauf ein. »Zögert sie noch, die Rekonstruktion durchzuführen?«
»Ja, aber ich glaube, dass sie immer noch daran interessiert ist.
Wir müssen sie nur noch ein bisschen bearbeiten.«
»Dann kümmern Sie sich gefälligst darum, und zwar ein bisschen plötzlich.«
»Sie wird morgen aus dem Krankenhaus entlassen, und ich
schätze, dass sie sich dann sofort an die Arbeit machen will.«
»Gut. Ich sorge dafür, dass sie das tut. Sagen Sie mir Bescheid, falls ich noch irgendetwas anderes tun kann.«
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