Knochenfunde
Hebert legte auf.
Melton war misstrauisch, aber nicht misstrauisch genug, um Jules akute Probleme zu bereiten. Vor der Sache in Boca Raton würde Melton nichts unternehmen. Die Leute vom Cabal legten Wert darauf, dass alles glatt lief, und die Vorbereitungen waren zeit- und arbeitsaufwendig. Im Moment hätten sie kein Interesse daran, einen neuen Mann ins Spiel zu bringen.
Hebert lehnte sich in seinem Sessel zurück und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Er musste die Panik bezwingen, die in ihm aufstieg. Er hatte Melton die Unwahrheit sagen müssen, aber er hatte immer noch alles unter Kontrolle. Die ganze Sache hatte eine nicht vorauszusehende Entwicklung genommen, und er musste schnell
handeln, um nicht davon ins Verderben gerissen zu werden. Gott, Eve Duncan war ein zäher Brocken. Er hatte regelrecht gespürt, wie sie um ihr Leben kämpfte. Nur schade, dass ihr Kampf letztendlich vergeblich gewesen war, dachte er bekümmert.
Denn so wie die Dinge lagen, konnte er sie unmöglich am Leben lassen.
»Du hast mir einen Riesenschreck eingejagt, Mama«, sagte Bonnie.
Eve schaute sich im Krankenzimmer um. Dann entdeckte sie
Bonnie, die auf einem Besucherstuhl vor dem Fenster kauerte. Die Schwester hatte vor vierzig Minuten das Licht ausgeschaltet, aber der Mond war hell genug, um Bonnies rotbraune Locken sanft schimmern zu lassen. Es war zu dunkel, um die Sommersprossen auf ihrer Nase zu erkennen. Sie trug Jeans und ein Bugs-Bunny-T-Shirt, wie immer, wenn sie zu Besuch kam. Eve unterdrückte ein heftiges Gefühl der Zuneigung, das sie überkam, und sagte vorwurfsvoll:
»Du wolltest mich nicht gehen lassen, verdammt. «
»Ich hab dir doch gesagt, deine Zeit war noch nicht gekommen.
Und außerdem wolltest du überhaupt nicht sterben.«
»Sag mir nicht, was ich will. Wer ist hier die Mutter, du oder ich?«
»Ich finde, all die Jahre, die ich herumgeistere, geben mir ein Recht auf eine Meinung.« Bonnie seufzte. »Du machst es mir sehr schwer, Mama. Du willst immer noch nicht einsehen, dass ich alles andere als ein Traum bin.«
»Also ein Geist. Dass ich nicht lache. Deine so genannten Geisterfähigkeiten scheinen mir ziemlich begrenzt zu sein. Wenn du nicht wolltest, dass ich sterbe, warum hast du mich dann diesen Eintopf essen lassen? Du hättest mir eine Menge Bauchschmerzen ersparen können.«
»Ich habe dir schon mal erklärt, dass ich nichts verhindern kann…so funktioniert das nicht.«
»Das ist ja praktisch. Dich kann man also nie für etwas verantwortlich machen.«
Bonnie kicherte. »Genau. Das ist das Gute daran, ein Geist zu sein.«
»Gibt es denn auch unangenehme Seiten?«
»Sieh dich doch an. Du bist völlig fertig. Ja, das Unangenehme ist die Mühe, die es mich kostet, dich immer wieder aufzurichten, wenn du unglücklich bist. Ich dachte, du wärst endlich auf dem richtigen Weg, aber jetzt bist du schon wieder total deprimiert und hunderte von Meilen weit weg von Joe.«
»Joe hat mich belogen. Was dich angeht und auch dein Grab.
Warum hast du mir nicht gesagt, dass du das nicht bist?«
»Wie hätte ich das denn tun sollen, wenn ich nur ein Traum bin?« Sie grinste. »Ha, erwischt.«
»Warum?«, beharrte Eve.
»Du kennst die Antwort. Für mich spielt es keine Rolle, wo mein Körper sich befindet. Ich bin immer bei dir.« Sie ließ einen Augenblick verstreichen. »Und du warst viel glücklicher, als du dachtest, ich wäre dort. Warum also sollte ich es dich nicht glauben lassen?«
»Du redest ja schon wie Joe. Mir ist es wichtig. Ich will dich zu Hause haben, Bonnie.«
»Ich bin zu Hause.« Sie seufzte. »Aber du bist zu stur, um es zu glauben. Du machst es mir wirklich schwer. Und diese Depressionen gefallen mir nicht. Du bist eine Kämpferin, aber letzte Nacht hast du erst angefangen zu kämpfen, als ich dich dazu gedrängt habe. Das darf nicht wieder passieren, Mama. Im Moment ist alles sehr… verschwommen. Du wirst vielleicht demnächst sehr hart kämpfen müssen, und es kann sein, dass ich dann nicht in der Nähe bin.«
»Soll das mir etwa meine Depressionen nehmen?«
»Ich werde immer wieder zu dir kommen, aber du kannst dich nicht unbedingt auf mich verlassen, Mama. Andererseits hast du Joe und Jane und Oma, und das ist doch ein Glück, oder?« Sie verzog das Gesicht. »Ich habe genau gespürt, wie du erstarrt bist, als ich Joe erwähnt habe. Sieh zu, dass du endlich darüber wegkommst, Mama.«
»Halt dich da raus.«
»Also gut, reden wir über etwas anderes. Ich
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