Knochenfunde
zu, dass sie Victor benutzen, um ihre Pläne durchzuführen.« Sie schaute Galen an. »So spät abends ist die Kirche wahrscheinlich verriegelt.«
»Wollen Sie mir damit nahe legen, rauszugehen und ein bisschen einzubrechen?«
»Bei Marie Letaux’ Haus schien Ihnen das nicht schwer zu fal-
len. Ist die Kirche ein Problem?«
Galen schüttelte den Kopf. »Was brauchen Sie aus Ihrer Werk-
statt?«
»Victor. Mein Werkzeug, die lederne Schädeltasche, die Kiste
mit den Glasaugen. Rick ist immer in der Kirche, wenn ich morgens dort ankomme. Falls er dort ist, möchte ich nicht, dass ihm etwas zustößt, Galen.«
»Ich werde mir Mühe geben, aber er könnte in der Sache mit
drinstecken, wissen Sie.«
Das wollte sie einfach nicht glauben. »Vielleicht auch nicht.
Möglicherweise ahnt er überhaupt nichts. Solange wir keinen Beweis für das Gegenteil haben, möchte ich nicht, dass ihm etwas zustößt.«
»Überlassen Sie es mir zu entscheiden, wohin wir fahren?«
»Sie sagten, es sei Ihre Aufgabe, mich mit allem zu versorgen, was ich brauche. Also tun Sie Ihre Arbeit.«
»Den Schädel mitzunehmen ist ein großer Fehler«, sagte Nathan heiser. »Wenn Sie einfach abreisen und untertauchen, wird man vielleicht irgendwann aufhören, nach Ihnen zu suchen. Aber wenn Sie den Schädel mitnehmen, wird man sich an Ihre Fersen heften.
Die werden vermuten, dass Sie irgendetwas wissen, und sie werden niemals aufgeben. Warum hören Sie nicht auf mich?«
»Weil wir keinen Beweis dafür haben, dass Sie nicht bloß ein
kleiner Provinzreporter mit einem zerbrechlichen Kiefer sind«, sagte Galen.
Aber Nathans Verzweiflung wirkte ziemlich überzeugend, und
plötzlich spürte Eve, dass sie beinahe von Panik ergriffen wurde.
»Wir hören ja auf Sie… mit Einschränkung. Deswegen verlassen wir Baton Rouge. Ich packe unsere Sachen, sodass wir abreisefertig sind, sobald Sie zurückkommen, Galen.«
Nathan seufzte. »Wenn Sie schon keine Vernunft annehmen wol-
len, kann ich Ihnen ja wenigstens beim Kofferpacken helfen.«
»Nein, Sie kommen mit mir«, sagte Galen. »Ich lasse Eve nicht allein mit Ihnen im Haus.«
»Herrgott noch mal, nach allem, was ich Ihnen erzählt habe,
könnten Sie mir doch vertrauen.«
»Worte sind Schall und Rauch. Vertrauen muss man sich verdie-
nen. Sie werden Gelegenheit dazu erhalten.«
»Indem ich meinen Hals riskiere und mit Ihnen in die Kirche ein-breche?«
»Zum Beispiel.« Galen schaute Eve über die Schulter hinweg an.
»Können Sie mit einer Pistole umgehen?«
»Ja.«
»In meiner Reisetasche befindet sich eine. Holen Sie sie. Es ge-fällt mir nicht, Sie allein im Haus zu lassen.«
»Dann lassen Sie mich bei ihr bleiben, verdammt«, sagte Nathan.
Galen beachtete ihn nicht. »Los, Eve, bewegen Sie sich. Wenn
ich zurückkomme, könnte Eile geboten sein. Ich hole noch ein paar Sachen aus der Küche, und dann mache ich mich mit Nathan auf die Socken.«
Neun
Wo blieben sie bloß?
Eve schaute ängstlich in die Dunkelheit hinaus, aber sie konnte nichts sehen außer den schattenhaften Umrissen der Kirche.
Sie waren schon seit über einer halben Stunde fort. Eigentlich hätten sie längst zurück sein müssen.
Es sei denn, ihnen war etwas zugestoßen.
Sie verscheuchte den Gedanken. Galen war zu gerissen, um sich erwischen zu lassen, und sie hatte keinerlei Besorgnis erregende Geräusche gehört, seit sie auf dem Balkon stand.
»Gehen wir.«
Sie fuhr herum und sah Galen auf sich zu kommen. Zumindest
dachte sie, es sei Galen. Er war von oben bis unten voll Schlamm, und seine nassen Kleider klebten ihm am Körper. »Was ist denn mit Ihnen passiert?«
»Nicht ein Bruchteil von dem, was ihm hätte passieren müssen«, sagte Nathan erbost, als er das Zimmer betrat. Auch er war
schlammbedeckt. »Er ist der verrückteste Saukerl, dem ich je begegnet bin. Er hat mich gezwungen, durch den verdammten Sumpf zu schwimmen.«
»Was?«
»Man hätte uns gesehen, wenn wir über die Brücke gegangen wä-
ren«, sagte Galen. »Es schien mir die einfachste Lösung, das Problem zu umgehen.«
»Einfach?«, knurrte Nathan. »Er hat mich ins Wasser gestoßen.
Was wäre denn gewesen, wenn ich nicht schwimmen könnte?«
»Das Wasser war fast so seicht, dass wir genauso gut hätten hin-durchwaten können.«
»Blödsinn«, entgegnete Nathan empört. »Und was ist mit Mokas-
sinschlangen, Alligatoren und… In der trüben Brühe könnten sonst was für Gefahren lauern.«
»Hören Sie auf rumzujammern.
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