Knochenfunde
Mercedes.
»Der wird schon nicht von alleine wegfahren.«
»Garantiert nicht. Scheißkarre.« Capel ging um den Saturn herum und stieg auf den Beifahrersitz. »Fahren Sie los. Das hat mir gerade noch gefehlt. Ich hab früh Feierabend gemacht, weil ich Tickets für das Basketballspiel heute Abend habe. Und dann muss mir so was passieren. Verdammt, ich hasse Pannen. Je eher wir das hinter uns bringen, umso besser.«
»Ganz meine Meinung. Ich hasse Unannehmlichkeiten.« Jules
Hebert setzte sich ans Steuer. »Bringen wir es hinter uns.«
Joe wandte sich vom Grab ab. »Wir werden einen neuen Stein
aufstellen.«
»Ich habe doch fast die ganze Farbe weggemacht.«
»Aber jedes Mal, wenn du ihn siehst, wirst du dich daran erinnern. Wir besorgen einen neuen Grabstein. Ich werde mich darum kümmern, wenn ich morgen zur Arbeit fahre.« Er schaute sie an.
»Hast du in den letzten Tagen hier irgendjemanden gesehen?«
Eve schüttelte den Kopf.
»Keine Sorge, es wird nicht wieder passieren.«
»Das ist ein großes Grundstück. Es ist schwer zu verhindern, dass sich jemand hier rumtreibt.«
»Es wird nicht wieder passieren«, wiederholte Joe. »Geh ins
Haus, ich werde mich mal ein bisschen umsehen.«
Sie sah ihn misstrauisch an.
»Hey, ich bin ein Bulle. Das ist mein Job.«
Aber so wie er vor ihr stand, war er kein Bulle. Joe fühlte sich als ihr Beschützer, und in diesem Zustand der Wut konnte er todbrin-gend sein. »Ich möchte nicht, dass du deinen Job auf die Spitze treibst. Das war Vandalismus.«
»Es hat dir wehgetan«, erwiderte Joe knapp. »Das lasse ich nicht zu. Nie wieder.«
»Und ich lasse nicht zu, dass du einen Jugendlichen tötest, der sich bloß einen Spaß machen wollte.«
Joe schwieg einen Moment. »Wenn es ein Jugendlicher war, wird er mit einer Lektion davonkommen, die er nicht so bald vergisst.
Einverstanden?«
»Nein.« Aber mehr Zugeständnisse würde er ihr nicht machen.
Allmählich wünschte Eve sich, sie würden nie herausfinden, wer das getan hatte. »Wegen Grabschändung kannst du nicht die Spurensicherung hierher bestellen.«
»Ich komme auch allein ganz gut zurecht.« Joe wandte sich ab.
»Geh zurück ins Haus. Jane braucht dich. Sie ist ziemlich aufgewühlt.«
»Jetzt nicht mehr. Sie will dasselbe wie du. Sie hat gesagt, sie würde ›ihn kriegen‹.«
»Gut. Kluges Mädchen. Aber sie braucht sich nicht darum zu
kümmern.«
Verzweifelt schaute Eve Joe nach, als er im Gebüsch ver-
schwand. Sein Jagdinstinkt war geweckt, und es gab nichts, was sie dagegen unternehmen konnte.
Sie drehte sich um und ging den Hügel hinunter.
Joe entdeckte die Fußspuren ohne langes Suchen.
Keine Sportschuhe und auch keine Stiefel, wie sie die meisten Jugendlichen in der Gegend trugen. Ganz normale Schuhe. Größe acht oder neun, und der Abdruck war nicht besonders tief, was bedeutete, dass der Träger nicht sehr groß und schwer war.
Und er hatte nicht versucht, seine Spuren zu verwischen. Das war dumm genug, um zu einem Jugendlichen zu passen. Joe folgte den Spuren den Hügel hinunter.
Reifenspuren.
Allmählich wurde es dunkel. Joe schaltete seine Taschenlampe
an, kniete sich auf den Boden und betrachtete die Spuren. Mit Reifen kannte er sich nicht gut genug aus, um sie zu identifizieren. Er würde einen Gipsabdruck davon machen und sie am nächsten Morgen auf dem Revier mit den dort im Computer verfügbaren Mustern vergleichen.
Das gefiel ihm alles überhaupt nicht. Seine Hand umklammerte
die Taschenlampe, als er an das Grab dachte und an Eves Ge-
sichtsausdruck, während sie ihm von der Schändung erzählte.
Er würde diesen Hundesohn erwischen.
Heberts Telefon klingelte, als er wieder in seinen Wagen stieg.
»Ich habe nichts von Ihnen gehört«, sagte Melton. »Muss ich Sie daran erinnern, dass die Zeit drängt?«
»Nein.«
»Die Situation könnte eskalieren. Haben Sie sich überlegt, ob Sie Dupree anheuern wollen?«
»Vergessen Sie Dupree.« Jules lehnte sich erschöpft zurück.
»Den werden wir nicht brauchen.«
»Warum nicht?«
»Es sieht gut aus. Ich möchte, dass Sie noch einen Tag warten.
Dann rufen Sie Eve Duncan an und machen ihr noch mal dasselbe Angebot.«
»Sie hat sich ziemlich klar ausgedrückt.«
»Versuchen Sie’s.«
»Wie Sie wünschen. Gut, dass alles so glatt läuft.« Melton legte auf.
An dieser Sache war überhaupt nichts gut außer dem Endergeb-
nis, dachte Jules. Er hatte eine grässliche Nacht hinter sich. Mit dem Mann hatte er mehr Mühe
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