Knochenkälte
Horn dröhnt von den Felsklippen herunter. Er hat mich gesehen - und das Biest, das mir auf den Fersen ist.
Den nächsten Hügel umfahre ich, aber dann ragt schon wieder eine Anhöhe vor mir auf. Ich darf nicht langsamer werden. Und zurückschauen schon gar nicht.
Hektisch zwinge ich das Schneemobil nach oben... weiter, weiter!
Oben angekommen hebt das Schneemobil bei voller Fahrt ab und fliegt durch die Felslücke auf die andere Seite. Eine Kufe verfängt sich an einer Steinnase und die Yamaha wirft mich ab.
Wild rudernd fliege ich durch die Luft. Und lande so hart, dass ich das Gefühl habe, mein Brustkorb sei eingedrückt worden.
Ich kullere einen Hang hinunter und bleibe unten mit dem Gesicht im Schnee liegen. Mein Mund, meine Augen, alles voller Schnee. Ich spucke Schneematsch aus und sauge gierig Luft in die Lungen.
Dann wirbele ich herum, betäubt vom Dröhnen des Horns, dessen Echo von den Felswänden widerhallt. Plötzlich fällt mir eine Bewegung ins Auge.
»Danny!« Die Stimme ist ganz nah.
Ich richte mich auf die Knie auf und durchforste die Dunkelheit.
»Danny! Hier drüben.« Das ist Ash.
Sie schiebt sich auf mich zu, die Schrotflinte in der einen Hand, Howies Handgelenk in der anderen. Matt kämpft er gegen sie an. Ich konzentriere meine Bemühungen darauf, wieder auf die Füße zu kommen. Als ich halbwegs gerade stehe, ist Ash schon da und bietet mir Halt.
Sie ruft etwas, was ich wegen des Horndröhnens nicht verstehe. Da verstummt das Horn plötzlich und ich kann Ash hören.
»Wo ist es?«
Ich schaue nach allen Seiten.
Die Bestie stapft durch die Felslücke auf uns zu.
Die Huskys auf den Klippen brechen in wildes Chorgebell aus, aber die Bestie sieht nicht mal auf. Langsam und mit bebenden Nüstern schiebt sie sich Schritt für Schritt in unsere Richtung. Sie schmeckt unsere Angst.
Howie windet sich in Ashs Griff, will sich befreien, um zu dem Monster zu gehen.
»Halt ihn fest!« Ash schubst ihn mir zu.
Ich packe ihn.
Ash hebt die Schrotflinte und schiebt Munition in die Kammer. Aber noch bevor sie abfeuern kann, zerreißt ein Schuss die Luft. Die Bestie zuckt getroffen zusammen und wendet den Kopf, um nach dem Ursprung zu suchen.
Vor dem Tunneleingang steht Pike, die Schrotflinte auf seinen Gegner gerichtet.
Ash drückt ab und spickt das Hinterteil des Monsters mit Schrot. Aber die meisten Kugeln prallen wie Hagelkörner von ihm ab. Und machen es nur noch wütender.
Es ist die Sekunde, in der wir erstarren und begreifen, dass wir verloren sind.
Dann schreit Pike: »Los, hierher! In den Tunnel rein!«
In den Tunnel? Das ist doch verrückt! Aber wir haben keine Wahl.
»Los!« Ash schubst Howie und mich vorwärts. »Geht schon!«
Pike feuert eine weitere Salve ab, um uns Rückendeckung zu geben.
Ash und ich haken Howie von beiden Seiten unter und schleifen ihn auf die Öffnung in der Felswand zu. Wie das Maul einer Gruft klafft der Tunneleingang vor uns auf.
Ash führt uns durch die tintenblaue Finsternis voran. Howie im Schlepptau, versuche ich, dicht hinter ihr zu bleiben.
»Haltet euch auf der linken Seite!« Pike schließt zu uns auf. »Links laufen! Links!«
Ein weißes Licht blitzt vor uns auf. Ashs Taschenlampenstrahl, der uns den Weg leuchtet.
»Ich nehm ihn.« Pike streckt die Hand nach seinem Bruder aus.
Ich übergebe ihm Howie und hetze den Tunnel entlang.
»Links halten!«, bellt Pike wieder. »Die Sprengkörper sind kurz vor der Höhle platziert.«
Tiefer, immer tiefer taumeln wir durch die Dunkelheit. Ashs Licht tanzt in wilden Bögen vor uns.
Mein Schädel dröhnt panisch. Sind wir irgendwo falsch abgebogen? Haben wir uns in den Eingeweiden der Erde verirrt? Meine Beine, wie auf Automatik geschaltet, tragen mich durch den unterirdischen Gang. Ich konzentriere mich auf das hin und her schwingende Licht. Bloß nicht den Kontakt zu Ash verlieren. Ich will hier unten nicht allein sein.
Plötzlich kommt Ash schlitternd zum Stehen. Ich schließe auf, meine Schuhe rutschen auf der eisigen Oberfläche aus.
»Stopp«, sagt Ash atemlos.
»Was ist denn?«, keuche ich.
»Wir sind da.«
Da sehe ich den blauen Lichtschein und die Tunnelbiegung.
Ash durchbohrt mich mit Blicken. »Jetzt schön langsam. Augen auf den Boden!«
Ich nicke. Die eisigen Schauer, die mir das Rückgrat hinunterlaufen, stammen weder von der Kälte noch von der Angst vor dem, was vor uns liegt. Die Kälte kann mir ohnehin nichts mehr anhaben. Was ich da spüre, geht viel tiefer. Bis
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