Knochenpfade
erleiden.”
“Verstehe. Sehen wir, was wir tun können.”
Ganz nickte ihm zu, öffnete die Tür und ging ihm voraus in einen kleinen verglasten Raum. Durch die Fensterfront konnte man in einen Saal von der Größe einer Sporthalle blicken. Nur dass dieser Raum durch sterile Plastikzelte in viele Einzelzellen eingeteilt war, aus deren Wänden Schläuche und Kabel wuchsen, Kontrollgeräte und Computermonitore.
Platt musste sich beherrschen, um nicht aufzukeuchen. Der Saal war voll. Er schätzte, dass es über hundert Krankenbetten waren. Über hundert Betten mit über hundert Soldaten.
4. KAPITEL
Pensacola Beach
Liz Bailey hätte es vorgezogen, sich draußen im Golf mit Wind und Wetter auseinanderzusetzen. Stattdessen saßen sie nun für den Rest ihres heutigen Dienstes hier fest. Seit fünf Stunden nervten sie der Sheriff der Escambia County, der Chef der Verwaltungsbehörde von Santa Rosa Island, der Kommandant der Militärflugbasis Pensacola, ein Bundesbeamter des Heimatschutzministeriums und der Vizechef desselben über eine Konferenzschaltung.
Es war einfach verrückt. Liz fragte sich unwillkürlich, ob sie nicht besser davongekommen wären, wenn sie die Kühlbox nicht geöffnet hätten. Wenn sie ihren Fund nur abgeliefert hätten und wieder gegangen wären. Diese ganze Fragerei schien weniger dem Zweck zu dienen, an Informationen zu kommen. Sie war wohl mehr darauf ausgerichtet zu ergründen, wie viel von diesem Vorfall bereits an die Öffentlichkeit gelangt war.
“Wem haben Sie noch davon erzählt?”, wollte der Sheriff wissen.
“Wir haben den Vorschriften gemäß auf See nach Überlebenden gesucht.” Lt. Commander Wilson machte sich inzwischen nicht mehr die Mühe, seine Ungeduld zu bezwingen. Einen kühlen Kopf zu behalten zählte nicht gerade zu den Dingen, die Wilson gelernt hatte.
Liz fragte sich, ob er es inzwischen bereute, Kesnick zum Öffnen der Kühlbox aufgefordert zu haben. Sie musste sich eingestehen, dass sie es fast genoss, ihn wegen seines eigenen Verhaltens so verärgert und defensiv zu erleben. Das war es fast wert, hier festgehalten zu werden. Fast.
Vorhin hatte sie Wilsons Mimik genau beobachtet. Sie war sich sicher, dass ihr Pilot in seiner ganzen Laufbahn noch nie menschliche Leichenteile zu Gesicht bekommen hatte. Zuerst dachte sie, Wilson würde Kesnick einfach nicht glauben. Aber in seinem Blick lag etwas wie Angst – vielleicht sogar Schock. Nachdem er sein Visier hochgeklappt hatte, um einen besseren Blick in den Kühler werfen zu können, bestand daran kein Zweifel mehr. Jedenfalls für Liz, die ihn von ihrem Platz im Helikopter sehr gut beobachten konnte. Normalerweise hätte das ihr Mitleid erwecken sollen. Stattdessen verstärkte es nur noch ihre Abneigung. Sie hatte keinen Respekt vor diesem Typen.
Als die vier endlich fürs Erste aus der Befragung entlassen waren, verließen sie das Gebäude. Draußen schien die Sonne.
“Ich schmeiße eine Runde”, kündigte Wilson an. “Es ist noch früh. Wir könnten um die Zeit sogar Plätze auf dem Deck der Tiki Bar bekommen. Und von da aus ein paar Bikinibräute beobachten.”
Irgendjemand räusperte sich. Liz drehte sich nicht um, um zu sehen, wer es war.
“Ach, komm schon”, sagte Wilson. “Bailey macht das nichts aus. Jedenfalls nicht, wenn sie eine von uns ist.”
Da war es wieder, die Spitze, die Herausforderung. Liz sollte sich entscheiden.
“Klingt doch gut”, sagte sie leichthin und setzte ihre Sonnenbrille auf. Ohne irgendjemanden von den dreien anzusehen, lief sie weiter.
“Aber nur, wenn wir uns vorher ein paar Hotdogs holen.” Tommy Ellis war ständig hungrig.
“Himmel noch mal, Ellis. Können Sie nicht mal an was anderes als an Ihren Magen denken?”, beschwerte sich Wilson. “Wir holen uns später welche.”
“Ja, aber was ist, wenn der Hotdog-Mann dann nicht mehr da ist?”
“Er wird da sein”, versicherte ihm Liz und ging ohne zu zögern weiter zur Tiki-Bar voraus. “Wahrscheinlich wird er uns dann überreden, woanders noch ein Bier mit ihm zu trinken.”
“Woher wollen Sie das denn so genau wissen?”, fragte Ellis.
“Weil der Hotdog-Mann mein Vater ist.”
5. KAPITEL
Newburgh Heights, Virginia
Maggie O’Dell speicherte die Dokumente, die Wurth ihr geschickt hatte, und druckte sie aus. Beim Blick auf die Fotos und die ersten Angaben vom Sheriffbüro in Escambia County wurde ihr klar, dass sie selbst ein paar Aufnahmen machen musste. Diese Bilder sagten nur wenig aus.
Auf
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