Knochenpfade
“Und ich weiß genau, dass du nicht widerstehen kannst, mich zu begleiten. Denk an das sonnige Florida. Smaragdgrünes Meer. Zuckerweiße Strände.”
Charlie Wurth rief immer mal wieder an, um eins seiner verrückten Angebote zu machen. Es war inzwischen zu einem Spiel zwischen ihnen geworden. Es wollte ihr nicht einfallen, warum sie nie den Gedanken gehegt hatte, das FBI zu verlassen und für das Heimatschutzministerium zu arbeiten. Maggie strich sich mit den Fingern durchs Haar und dachte an das Blut und die Hirnfetzen von vorhin. Vielleicht sollte sie doch mal über einen Wechsel nachdenken.
“Klingt wirklich fantastisch”, sagte Maggie und ging auf seinen Tonfall ein. “Wo ist der Haken?”
“Es ist nur ein ganz kleiner. Sieht so aus, als würde Hurrikan Isaac nach den Berechnungen der Meteorologen den gleichen Weg nehmen.”
“Sag mir noch einmal, warum ich mitkommen wollte?”
“Tatsächlich würdest du mir einen riesengroßen Gefallen tun.” Charlie Wurth wurde jetzt ernst. “Ich war eben wegen des Hurrikans schon auf dem Weg. Wurde allerdings etwas abgelenkt. Die Küstenwache hat einen Fischkühler im Golf gefunden.”
Er machte eine Pause, damit sie ihre eigenen Schlüsse ziehen konnte.
“Lass mich raten. Es war kein Fisch drin.”
“Genau. Die lokale Polizei hat alle Hände voll damit zu tun, sich auf den Hurrikan vorzubereiten. Die Küstenwache meint, es wäre Sache des Heimatschutzministeriums, aber ich denke, diese Körperteile rufen das FBI auf den Plan. Ich habe mich gerade bei A.D. Kunze erkundigt, ob ich dich mal ausborgen darf.”
“Du hast mit Kunze gesprochen? Heute?”
“Jawohl. Vor wenigen Minuten. Er findet, das wäre eine gute Idee.”
Das überraschte Maggie überhaupt nicht. Sicher gefiel ihrem Boss der Gedanke, sie ins Auge des Hurrikans zu schicken.
3. KAPITEL
Militärflugbasis
Pensacola, Florida
Colonel Benjamin Platt erinnerte sich nicht an diesen Teil der Basis, obwohl er schon einmal hier gewesen war. Meist hatte er während seiner Einsätze einfach zu viel zu tun, um die Umgebung richtig wahrzunehmen.
“Pensacola Bay ist traumhaft”, sagte er, während er in die Bucht hinaussah.
Sein Begleiter, Captain Carl Ganz, schien von der Bemerkung überrascht. Er drehte sich um und blickte in die Richtung, in die Platt zeigte. Ihr Fahrer drosselte die Geschwindigkeit, als wollte er dem Captain Zeit geben, sich genauer umzusehen.
“Oh ja, das stimmt. Wir haben uns wohl schon zu sehr an den Anblick gewöhnt”, entgegnete Captain Ganz. “Pensacola ist eine der schönsten Gegenden, in denen ich bisher stationiert war. Ich kann mir vorstellen, dass es besonders eindrucksvoll ist, wenn man gerade aus Kabul kommt.”
“Da haben Sie recht.”
“Wie war es?”
“Die Reise?”
“Afghanistan.”
“Der Staub nimmt einfach kein Ende. Meine Lungen fühlen sich immer noch an, als wären sie voll davon.”
“Daran erinnere ich mich auch. 2005 war ich mit einem MedEvac-Team zur Evakuierung von Verletzten dort”, sagte Captain Ganz.
“Das wusste ich nicht.”
“Im Sommer 2005. Wir haben damals einen unserer Seals verloren. Ein vierköpfiger Aufklärungstrupp von uns geriet unter Beschuss. Sechzehn Soldaten sind als Verstärkung mit einem Helikopter eingeflogen, aber sie wurden abgeschossen.” Ganz ließ seinen Blick über die Bucht schweifen. “Alle an Bord kamen um. Und die Bodentruppe ebenso.”
Platt atmete hörbar aus und schüttelte den Kopf. “Ein schwarzer Tag.”
“Sie waren doch auch dort, oder?”
“Aber früher. Noch in den ersten Kriegsmonaten”, entgegnete Platt. “Ich gehörte zu dem Team, das unsere Jungs vor biologischen und chemischen Waffen schützen sollte. Was daraus hinauslief, dass wir sie letztendlich hauptsächlich zusammenflicken mussten.”
“Und, hat sich etwas verändert?”
“Im Krieg?”
“In Afghanistan.”
Platt schwieg und musterte Captain Ganz. Er war ein bisschen älter als er selbst, vielleicht vierzig. Sein Gesicht wirkte jungenhaft, trotz des vorzeitig ergrauten Haars. Dies war das erste Mal, dass sich die beiden Männer persönlich trafen. Bisher hatten sie nur über Telefon oder E-Mail kommuniziert. Platt war als Arzt und Leiter der Abteilung für Infektionskrankheiten im USAMRIID bei Fort Detrick für die Prävention und Bekämpfung der gefährlichsten Seuchen zuständig. Ganz, ebenfalls Arzt, arbeitete für die Navy an einer Abhandlung über chirurgische Eingriffe an verwundeten Soldaten.
“Leider
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