Knuddelmuddel
Fächer. Auf dem Stoff ist ein Bild, Chinesinnen, die in einem Park unter Kirschbäumen lustwandeln. Eine chinesische Tuschezeichnung auf chinesischer Seide in einem chinesischen Fächer. Der Kellner hat die Rechnung gebracht und da lag der Fächer als Geschenk. Und zwei Pfefferminzbonbons. Glückskekse gibt es in Lissabon nicht beim Chinesen. Nie, komischerweise. Aber das war auch nicht nötig, denn das Glück saß ja auch so schon mit uns am Tisch.
Und in Rickys Bar.
Und später im Treppenhaus.
Wenn das ein date gewesen wäre, dann hätte das bei mir elf Punkte auf einer Skala von null bis zehn.
Wir haben nämlich noch drei Stunden im Treppenhaus gesessen. Und geredet und geredet und geredet. Über Beziehungen, und wie wir uns die ideale Beziehung vorstellen. Was wir vom Leben wollen. Wie man es sich in einer Beziehung so richtig schön machen kann. Wie gut es sein kann, wenn man den richtigen Partner findet. Den fürs Leben. Die große Liebe. Wir sind im Treppenhaus geblieben und haben da auf den Stufen gesessen, weil ich mich nicht getraut habe, ihn mit hoch in meine Wohnung zu nehmen. Oder auch überhaupt nur zu fragen, ob er mit hoch will. Ich hätte schon gewollt, obwohl – aber, ach ja.
In Rickys Bar hat er mir von seiner Ehe mit Rute erzählt. Sie haben wirklich beide gedacht und gehofft, dass ihre Freundschaft zu Liebe würde, es gibt schließlich Studien, in denen nachgewiesen wird, dass die arrangierten Ehen, in Indien zum Beispiel und auch anderswo, genauso glücklich sind, wenn nicht sogar glücklicher, als die Liebesheirats-Ehen, die uns hier in Europa oder überhaupt im Westen so wichtig sind. Ja, manchmal sind die arrangierten Ehen nach einigen Jahren sogar glücklicher. Die Scheidungsrate ist niedriger. Die Zufriedenheit größer. Und so entstand bei Claudio und Rute in einer langen Kneipennacht im Bairro Alto der Plan, es doch einfach miteinander zu versuchen. Sie waren beide Anfang dreißig. Sie wollten beide Familie, Kinder, das ganze Paket. Sie wollten nicht mehr auf etwas warten, das vielleicht nie kommen würde. Sie mochten sich. Sie waren gute Freunde. Rute ist nett und klug, sagt Claudio, ich habe sie ja kennengelernt, auf der Hochzeit in Sintra, und er mag sie wirklich gerne. Jetzt sind sie seit acht Jahren verheiratet, aber die Liebe ist nicht gekommen.
Bei uns an diesem Abend dagegen funkt es sofort.
Da stimmt die Chemie. Wir könnten stundenlang reden. Na ja, wir haben ja stundenlang geredet.
Mit Rute redet er auch, natürlich, sagt Claudio, aber da geht es einfach viel um die Organisation des Haushaltes. Wer kauft ein, wer bringt die Kinder in die Schule. Die Kinder sind auch der Grund, warum sie zusammenbleiben, Claudio liebt die Kinder, und er kann sich nicht vorstellen, von ihnen getrennt zu sein.
Und jetzt?
Jetzt sitze ich hier und lauere auf das Telefon wie zu den Zeiten, als ich noch in die zehnte Klasse ging. Ich überpüfe noch mal, ob das Handy geladen ist. Ich prüfe, ob das Festnetz geht. Er hat meine Handynummer, er hat meine Telefonnummer und er weiß, wo ich wohne.
Jetzt muss er sich nur noch melden und dann fahren wir nach Madrid in die Oper.
Was zieht man eigentlich in die Oper an? Ein Blick in meinen Kleiderschrank sagt mir: garantiert nichts von dem, was hier bei mir im Kleiderschrank hängt. Jeans, T-Shirts, Pullover, Strickjacken ... mein bestes Stück ist eine weiße Bluse aus Baumwolle. Gut genug fürs Reisebüro, aber nichts für La Bohème . Und das blaue Kleid, natürlich, das ich auf der Hochzeit anhatte, aber das kennt er ja schon. Er im Sinne von: Claudio. Aber wie komme ich jetzt an andere Klamotten? Vielleicht im Amoreiras.
Ich nehme meine Krücken und gehe aus dem Haus. Es ist mühsam, aber es geht. Ich stärke mich mit einem Galão in der Pastelaria Covas. José begrüßt mich wie den verlorenen Sohn, beziehungsweise wie die verlorene Tochter. Dabei hat er mich erst gestern gesehen, nur eben nicht im Café. Die Menina Elke, sagt er. Endlich kann sie wieder auf die Straße gehen, das ist doch ein Fortschritt und wie schön, dass es mir besser geht. Er bringt mir zu meinem Kaffee ein Schoko-Eclair. Das habe ich nicht bestellt, sage ich. Geht auf´s Haus, minha Linda , sagt José, geht auf´s Haus.
Ich humpel die Ferreira Borges hoch, das bringt mich direkt zum Amoreiras. Normalerweise schaffe ich das in einer knappen Viertelstunde, heute dauert es mindestens doppelt so lange, gefühlt viermal so lange. Es ist Ende August, die Stadt ist immer
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