Knuddelmuddel
die Filmmusik für die Handlung in der Bar. Ich habe vor mir auf dem Klavier alle Liebeslieder der Welt, in meinem Laptop. Ein kurzes Suchen mit dem Touchpad und die Noten sind da. Ich muss nicht mehr Die Affen rasen durch den Wald oder Wir lagen vor Madagaskar singen , weil mir nichts anderes einfällt.
Ich spiele: What a difference a day makes von Aretha Franklin, aber ich glaube nicht mehr daran.
Ich singe: Oh I am in love with the janitor´s boy von Natalie Merchant, aber ich bin nicht mehr in love. Mit niemandem mehr. Und ich bin froh, dass das so ist, denn das Leben ist so viel einfacher ohne Liebsten als mit. In meinem Leben gibt es keinen Liebsten mehr. Und es wird auch keinen mehr geben. Keine Joãos, oder Toms oder Gott-bewahre-Claudios mehr. Und sollten hier irgendwann mal Gefühle für irgendwen aufkommen, dann werden sie von der Zynikerin in mir, die ich hege und pflege, sofort gründlich und bewusst missachtet.
Und sollte das nicht reichen, weder Fado noch Titanic, noch meine Beobachtungen in der Blues Bar, dann lese ich abends vor dem Einschlafen ein paar besonders gelungene Exemplare, ausgewählt aus meinen siebenundsiebzig in meinem Schatzkästchen aufbewahrten Juwelen.
Zum Beispiel diesen Brief hier, der ist einfach immer wieder gut:
Liebe Unbekannte, aus Ihrer Anzeige entnehme ich, dass Sie eine Frau sind, die weiß, was sie will. Sie sind ins Ausland gegangen, sie sind offensichtlich eine starke und selbstbewusste Frau. Das spricht mich sehr an. Ich liebe dominante Frauen. Gerne würde ich für Sie da sein, für Sie den Haushalt machen und Ihnen auch sonst zu Diensten sein. In jeder Beziehung. Ein bisschen Strenge kann dabei nicht schaden.
Gibt es in Lissabon entsprechende Läden, oder soll ich das, was wir brauchen, aus Deutschland mitbringen? Hier in Berlin gibt es eine ganz fantastische Auswahl. Alles, was das Herz begehrt.
Ihr Ihnen schon jetzt ergebener Hugo Färber
Das Herz, Hugo, das Herz?
Ich müßte nie mehr kochen, den Küchenfußboden feudeln oder Fenster putzen. Das würde alles Hugo für mich tun. Womöglich nackt. Oder in Lack. Ein Freund von Andrea hat sich sein Studium als Nacktputzer verdient. Womöglich war das dieser Hugo. Da ist er auf den Geschmack gekommen. Na, aber wahrscheinlich ist er das nicht und es gibt mehr Hugos auf der Welt, als ich mir in meiner naiven Vorstellung zu denken gestatte.
Und wenn ich denke, dass ich das alles nicht mehr will, wenn mich der Ich-schmeiß-alles-hin-und-werde-Prinzessin-Gedanke wieder überfällt, was er ja immer mal wieder tut, wenn mir alles zu viel wird, und ich nicht weiß, was ich machen soll, dann lese ich diesen Brief hier und weiß, dass es einen Ausweg gibt.
Liebe Unbekannte,
mein Name ist Joachim, und ich werde dieses Jahr vierundneunzig. Vierundneunzig Jahre auf dieser Welt sind eine lange Zeit und ich weiß, dass meine Tage gezählt sind. Ich hoffe natürlich, dass es nicht nur Tage, sondern eher Wochen oder vielleicht sogar ein paar kostbare Monate sind. Vielleicht darf ich sogar noch auf einige gute Jahre hoffen. Wissen kann man es in diesem Alter nie. Aber meine Mutter ist immerhin hundertundeins geworden, das macht mir Hoffnung.
Ich schreibe Ihnen, weil ich mir für die letzte Zeit meines Lebens eine Begleiterin wünsche. Jemanden, der ein noch einmal bisschen Freude in mein Leben bringt. Ich würde mich natürlich erkenntlich zeigen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, das ist kein unseriöser Antrag, ich habe durchaus ehrenhafte Absichten.
Ich biete Ihnen die Ehe an.
Liebe Unbekannte – wollen Sie mich heiraten?
An meiner Seite hätten Sie für immer ausgesorgt und selbstverständlich würde das Haus an der Alster nach meinem Ableben in Ihren Besitz übergehen. Dass ich auch sonst finanziell in jeder Hinsicht für Sie vorsorgen werde, versteht sich von selber und muss eigentlich nicht noch extra erwähnt werden. Ich tue es hiermit trotzdem, damit Sie sehen, dass meine Absichten wirklich seriös sind.
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ein bisschen Freude in das Leben eines einsamen Mannes bringen würden.
Hochachtungsvoll Joachim v. R.
Das ist die Nicole-Ann-Smith-Variante der Ich-schmeiß-alles-hin-und-werde-Prinzessin-Lebensform. Es ist also nicht so, als ob ich keine Wahl hätte, nicht wahr.
Bisher habe ich allerdings noch keinen gefunden, den ich wählen würde, in diesen ganzen siebenundsiebzig Briefen, obwohl auch ein paar dabei sind, die ganz vernünftig klingen. Ich habe eine
Weitere Kostenlose Bücher