Knuddelmuddel
der einen nicht mal will, weil er jemand anderes hat. Dieses Kuddelmuddel, das nicht mal ein anständiges Knuddelmuddel gewesen ist, ja, wenn es doch noch eins gewesen wäre, aber nicht mal das. Nicht mal das.
Es hat alles mit diesem Murgonhasa angefangen, dem leckeren Sekt auf dieser beknackten Hochzeitsfeier, zu der ich besser nicht gegangen wäre. Weil sie mein Leben bitter durcheinander gebracht hat.
Murganhosa hin und her, ich war an diesem besagten Tag im August vielleicht ein bisschen betrunken, aber ich weiß schon noch, was vorging, und ich weiß noch sehr genau, wie ich die steinerne Statue um das beneidet habe, was man wohl nur als ihr Steinsein bezeichnen kann. Aber in der Tat, ich habe jetzt entdeckt, man muss nicht aus Stein sein, man kann es auch so schaffen, sich die Gefühle vom Leib zu halten. Mit ein bisschen guten Willen sind sie zu besiegen. Und wenn ich jetzt Gefühle will, dann sehe ich Titanic oder höre Fado und aus die Maus.
Fado? Was Fado ist? Fado ist berühmt. Wurde jetzt sogar zum Weltkulturerbe erklärt! Von der Unesco. Fado ist ein wunderbar trauriger Gesang, gesungenes Leiden in melodischer Form, begleitet von mindestens zwei Gitarren, einer klassischen und einer portugiesischen. Die Sängerin trägt normalerweise ein großes Tuch, das sie dramatisch um ihre Schultern drapiert, während sie melodisch melancholisch klagt. Und auch die männlichen Sänger tragen ihre Liebe und ihr Leid auf der Zunge und singen es heraus, damit wir alle mitleiden können. Es gibt hier in Lissabon sogar ein Fado-Museum, unten in der Altstadt, ganz in der Nähe vom Wasser, ich bin mit Jana da gewesen und sie hat sich dort zwei CDs gekauft, eine von Carlos do Carmo und eine von Amalia. Nicht zu verwechseln mit Amélie. Amélie ist die mit dem Filmmusik-Walzer, den ich so liebe und nicht mehr spielen darf. Amalia ist DIE portugiesische Fadostimme überhaupt. Eine Ikone des Fados. Die Inkarnation dess Fados. Ich habe mir eine CD von Camané gekauft. Amalia ist schon ein paar Jahre tot, Camané ist noch jung, den kann man noch live sehen, wenn man will und ja, eigentlich würde ich ihn gerne mal live sehen, er sieht gut aus und hat eine tolle Stimme. Bei den Liedern geht es immer um das Gleiche, egal ob Carlos do Carmo, Amalia oder Camané singen. Es geht immer um Sehnsucht, Liebe und Ignatia-Schmerz.
So wie hier in dieser Blues Bar, da geht es auch ganz viel um Sehnsucht und Liebe und Ignatia-Schmerz.
Außer bei mir. Ich spiele nicht mehr mit. Ich spiele Klaiver.
Ich bin die Kulisse, die Begleitmusik, die zynische Beobachterin, die umso zynischer wird, je länger sie beobachtet.
Ich habe nie das Ignatia genommen, das mir Andrea geschickt hat. Es war garnicht nötig, die Romantik ist bei mir auch so verschwunden. Ja, sogar der Wunsch nach Romantik ist so gut wie weg. Ich habe das jetzt alles unter Kontrolle.
Und wenn Fado nicht reicht, wenn ich mehr Gefühl will, als der Fado mir bieten kann, dann sehe ich Titanic. Und mal ehrlich: Was ist schöner, mit einer Schachtel Taschentücher im Trockenen und Warmen zu sitzen oder im kalten Wasser zu hängen und der Liebe des Lebens beim Sterben zuzusehen? Na bitte. Na also. Keep singing , sagt Leo zu Kate, keep singing und sie singt und singt, nass und durchgefroren, während er am Floß hängend an Unterkühlung stirbt.
Da kann man sich so richtig reinhängen. Und mitleiden. Und seufzen. Und ins Taschentuch heulen. Und wenn der Film dann zu Ende ist, stellt man den Fernseher aus und ist wieder zu Hause. Im Warmen und Trockenen. Und am Leben. Das ist die einzige Art, wie man Gefühle genießen kann, ohne selber Schaden zu nehmen.
Und auf eine bestimmte Art und Weise ist Rickys Blues Bar genauso gut wie Titanic und Fado, ein Schauplatz der Gefühle.
Wieso ich hier in Rickys Bar Klavier spiele?
Weil Ricky versucht hat, aus falsch verstandenem Stolz und um seinen Freund Bruno zu beeindrucken, damit der ihn für einen richtigen Mann hält, einen männlichen Do-it-yourself-Heimwerker-Alleskönner-am-Wochenende-im-Baumarkt-Mann, die gemeinsame Wohnung selber zu renovieren. Jetzt ist die Wohnung ein halb renoviertes Chaos, Ricky hat seinen Arm in der Schlinge und Bruno ist in sein Ferienhaus in Murtosa gefahren, weil er Zeit am Strand und am Meer und alleine braucht um herauszufinden, ob er sein Leben an der Seite eines unpraktischen Mannes verbringen will. Ricky hat Evelina im Café Covas getroffen und sich bei ihr ausgeweint und gesagt, was soll er nur
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