Knuddelmuddel
ist nämlich in Maastricht, die zweitschönste Buchhandlung der Welt ist in Buenos Aires. Und die drittschönste ist die Livraria Lello in Porto.
Dort war ich mal mit João, in ersten Jahr, als ich nach Portugal gezogen bin. Wir haben eine Rundfahrt durch den Norden gemacht. Und João hat mir sein Land gezeigt. Als echter Lissabonner findet er Lissabon natürlich schöner und besser als Porto, gemäß dem landesbekannten Motto: In Braga wird gebetet, in Porto wird das Geld verdient und in Lissabon wird es ausgegeben. Und wer gibt nicht lieber Geld aus, als es zu verdienen. Da haben die Lissabonner doch Glück gehabt. Und gucken verachtungsvoll auf die armen arbeitsamen Portuenser runter.
Aber João gibt natürlich zu, dass Porto schöne Ecken hat. Der Cais da Ribeira, die Meile am Fluß entlang, wo die Touristen schon tagsüber Bier trinken und englische Männer mit nackten Oberkörpern in der Sonne sitzen und den Mädels hinterherpfeifen, was im Grunde eine Übung in Sinnlosigkeit ist, denn es ist schwer vorstellbar, dass da auch nur irgendeins der Mädels so einen halbnackten Engländer von der Straße weg zu sich nimmt. Die Zahnradbahn, die die Ober- mit der Unterstadt verbindet und die besagte Buchhandlung Lello, die allerdings mittlerweile so bekannt ist, dass sie mehr wie ein gutbesuchtes Museum als eine Buchhandlung wirkt und man sich fragt, ob sie überhaupt noch Bücher verkauft oder ob das einfach alles Ausstellungsstücke sind. Wie überlebt der Laden? Man sollte da Bücher kaufen, jeder, schon, damit diese wunderbare Buchhandlung bestehen bleibt. Und sollte ich mal wieder nach Porto kommen, dann kaufe ich dort ein Buch. Mindestens. Vielleicht auch zwei. Einfach, damit diese wunderschöne Buchhandlung bestehen bleibt. Ein hoher Raum über zwei Stockwerke, alles aus Holz. Mit einer Holztreppe in der Mitte, die die beiden Etagen verbindet und Buntglas in der Decke. Die Livraria Lello ist wirklich schön. Da kann der Buchladen nicht mithalten. Und trotzdem sehne ich mich manchmal nach ihm. Vielleicht sollte ich einfach wieder zurückgehen. Nach Hamburg. In den Buchladen. In mein altes Leben.
Als ich abends im Bett liege, merke ich, dass die ganze CM-Geschichte (CM steht natürlich für Claudio Moreno und durch das Kürzel hoffe ich, Distanz zu gewinnen, damit der Name Claudio und damit auch der Mann aus meinen Gedanken verschwindet) auch einen schönen secondary gain hat: Ich habe fast überhaupt nicht mehr an Tom und João gedacht. Immerhin. Vor dem Einschlafen gucke ich noch schnell in die mails, seit Jana im Wohnzimmer auf der Couch schläft, habe ich den Laptop hier bei mir am Bett, für den Fall, dass ich nachts französische Vokabeln googlen oder Karten spielen möchte, oder e-mails checken will. Ich weiß, das ist vermutlich nicht gut. Aber das sind sie nun mal, die modernen Zeiten. Was soll ich machen. Da ist eine mail von Evelina:
Du hast überhaupt nicht gefragt, was die gute Nachricht ist? Bist du garnicht neugierig?
Evelina
Habe ich doch glatt total vergessen. Über all den anderen Gedanken. Aber morgen – morgen werde ich dran denken.
In dieser Nacht träume ich von dem kleinen Mann und seiner Tafel. Ich stecke hinter der Tafel und ich strecke und ich recke mich, und ich versuche, die Hände und die Füße und den Kopf an allen Seiten rauszustecken, aber es geht und geht nicht, wie ich mich auch strecke und recke und wende. Ich sehe über den oberen Rand der Tafel. Unten im Publikum sitzen João und Tom und Claudio und sehen meinen hilflosen Versuchen zu.
XI
Fühlt es sich so an, wenn man Zyniker wird? Bine würde natürlich darauf bestehen, dass ich Zynikerin sage. Mit - in hinten. Wir leben ja schließlich nicht mehr in den fünfziger Jahren. Jetzt benutzt man die weibliche Endung. Pilot, Pilotin. Friseur, Friseurin. Zyniker, Zynikerin.
Ein Zyniker, pardon eine Zynikerin, missachtet in bewusster Absicht die Gefühle anderer. Jedenfalls ist das die Definition in Wikipedia. Na ja – die Kurzfassung. Bei mir hat es damit angefangen, dass ich meine Gefühle missachtet habe, und zwar in absolut bewusster Absicht. Das war ja der Sinn der Sache.
Ich habe realisiert: Was soll der Mist?
Was sollen diese ganzen Gefühle? Warum kann ich nicht einfach friedlich und in Ruhe leben. Ein ausgeglichenes Leben führen. Frieden in der Seele. Und nicht dieses Chaos. Dieses blöde, schwachsinnige, nervige, unsinnige Chaos. Wo man sich nach jemandem sehnt, den man nicht bekommen kann. Ja,
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