Knuddelmuddel
fange wieder von vorne an, immer in dem Glauben, dieses Mal kriege ich die Mütze aber hin, denn so schwer kann das doch nicht sein. Und gerade jetzt, wo ich mich da total dran gewöhnt hatte und dachte, ich habe für den ganzen Winter eine gute Beschäftigung, da klingelt es und Bruno steht vor der Tür und klagt mir sein Leid. Und ich setze ihn mit Tee bei mir im Wohnzimmer aufs Sofa und er fängt an diese Mütze zu häkeln und das anscheinend auch noch mit Erfolg.
„Da möchte ich mal Rickys Gesicht sehen, wenn ich mich in seiner Bar einmischen würde“, sagt Bruno. „Da möchte ich mal sein Gesicht sehen.“
Er häkelt jetzt schon die dritte Runde abwechselnd halbe Stäbchen und Luftmaschen und ihm gelingt es irgendwie, da zu sehen, wo die Stäbchen reinsollen, ein Punkt, an dem ich immer gescheitert bin. Bei mir hat das Muster immer komisch ausgesehen, auch beim zwanzigsten Versuch.
„Ich habe ihm gesagt, dass ich das nicht möchte“, sagt Bruno und wechselt zur blauen Wolle und es beginnt sich ein Muster abzuzeichnen. „Und kommt das bei ihm an? Nein. Da stößt man auf taube Ohren. Gestern zum Beispiel, nach dem Abendessen. Wir sind fertig, wir haben aufgegessen und wer steht auf und trägt die Teller in die Küche? Ricky.“
„Aber was ist daran schlecht?“, frage ich.
„Es ist mein Haushalt“, sagt Bruno. „Das versuche ich dir doch die ganze Zeit zu erklären. Aber der Ricky versteht das auch nicht. Ricky sagt, ich spinne und ich soll mich nicht lächerlich machen.“
Bruno hält die angefangene Mütze in die Höhe und es sieht echt schon ganz gut aus. Blau und lila im Wechsel und die Form ganz gleichmäßig. Man kann auch zum ersten Mal überhaupt das Muster erkennen. Das Problem ist nur, wenn ihm das echt gelingt, dann habe ich zwar eine neue Mütze und eine schöne noch dazu, aber kein Schiebewurstprojekt mehr. Dann muss ich mir eine neue Beschäftigung für den Winter suchen. Und Mützen habe ich im Grunde genug, Beschäftigung dagegen nicht. Aber ich kann ja Bruno jetzt schlecht die Wolle wegnehmen.
„Und so geht das immer“, sagt Bruno. „Mit allem. In alles mischt er sich ein. Aber auch wirklich in alles.“
Womöglich hat mir das Universum Bruno mit seinen Klagen vorbeigeschickt, damit ich ein Gegenstück zu meinen Hollywood-Bollywood-Filmnachmittagen vor dem Fernseher habe. Damit ich auch mal die Realität einer Beziehung sehe und nicht nur die rosaroten Kuss-und-Schluss-Szenen im Kopf habe. Damit ich an das Alltagsgenerve erinnert werde, dass so eine Beziehung mit sich bringt. Diesen ganzen Wer-bringt-den-Müll-raus-Stress. Die von Schweigen geprägten Tage, weil einer den anderen strafen will, und dabei nur sich selber weh tut. Das vergisst man ja mit der Zeit.
„Ich glaube, mir reicht´s“, sagt Bruno. „Ich ziehe aus. Ich suche mir meine eigene Wohnung. Da habe ich dann endlich mein Reich für mich.“
„Das ist aber eine sehr drastische Maßnahme als Strafe dafür, dass einer die Teller wegräumt und abwäscht“, sage ich.
„Deine Ironie kannst du dir sparen“, sagt Bruno und zählt die Maschen in der zehnten Runde. Er rippelt ein paar Maschen auf. Ha – Schiebewurst! Wusste ich es doch. Ach nein, doch nicht. Es waren nur ein paar Maschen, jetzt häkelt er weiter. „Damit ist keinem geholfen.“
„Tut mir leid“, sage ich. „Ich habe das nicht so gemeint.“
„Weiß ich doch“, sagt Bruno. „Weiß ich doch. Du verstehst mich.“
„Willst du einen Caipimolan?“, frage ich.
„Ich weiß zwar nicht, was das ist, aber ich nehme einen“, sagt Bruno.
Ich gehe in die Küche und mixe einen Caipimolan für Bruno.
XVIII
Liste der Weihnachtsgeschenke am ersten Weihnachten meines Lebens, das ich alleine verbringe, alleine und einsam, Bine und Andrea sind nicht gekommen, die Bluesbar ist geschlossen, Ricky und Bruno sind an der Algarve, in Tavira, das ist ganz im Osten, fast schon in Spanien, na ja nicht ganz, aber die Richtung, und Evelina ist noch weiter östlich, beziehungsweise nord-östlich, bei ihrem Sohn in Madrid, Madrid, wo ich mal in die Oper gehen wollte und dann hat es nicht geklappt und ich bin hier alleine, bei einem Fertiggericht, Ente mit Reis, tiefgefroren aus dem Supermarkt, weil ich nicht in der Stimmung war zu kochen, und weil ein aufwendiges Essen wie chinesisches Fondue – das ich allerdings sowieso aus meinem Leben gestrichen habe – für einen alleine nicht lohnt, eine durchschnittlich aussehende Frau in ihrem einundfünfzigsten
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