Knuddelmuddel
da muss man nur noch ankreuzen, was man will.
Ich suche eine Frau ... einen Mann ...
Im Alter von ... bis ...
Wohnort ...
Und damit laufen die in LA durch die Gegend? Ich fasse es nicht. Das sagt ja auch einiges über die Stadt. Und jetzt habe ich den Becher. Sagt das etwa etwas über mich?
Ich stelle den Becher vor mich und starre ihn an. Ich fange an, die Fensterchen aufzumachen und die Schokolade zu essen. Fenster eins: ein Schaf aus Schokolade. Mmhh. Lecker. Fenster zwei: eine Kerze aus Schokolade. Auch lecker. Fenster drei: ein Stern. Aus Schokolade. Diese Schokolade ist echt lecker. Fenster vier: eine Mondsichel. Aus Schokolade, woraus wohl sonst. Fenster fünf: ein Hirte. Fenster sechs: ein Nikolaus. Ist ein Nikolaus eigentlich das Gleiche wie ein Weihnachtsmann? Wenn es den Weihnachtsmann nicht gibt, woher weiß man dann, wie er aussieht? Gibt es ihn womöglich doch? Und wenn ich alle vierundzwanzig Fensterchen aufmache und alle vierundzwanzig Schokoladenstückchen esse, wird mir dann schlecht? Und wenn mir schlecht wird, was mache ich dann? Schließlich gibt es in Lissabon keinen Matjessalat. Ich liebe Matjesssalat. Und Anchovis. Und roten Heringssalat. Und diesen orangen salzigen Salat aus Seelachs. Das alles gibt es in Winterhude im Fischgeschäft in der Gertigstraße. Aber soll ich nur wegen toter Fische in Majonäse in Plastikdosen wieder nach Deutschland ziehen???
Fenster sieben: ein Herz. Auch das noch. Ich halte das Herz so lange in der Hand, dass die Schokolade anfängt zu schmelzen. Und dann fällt auch noch eine Träne drauf ...
XIX
Manchmal trifft man eine Entscheidung und es geschieht, ohne dass man es eigentlich merkt. Man bekommt es garnicht mit. Man weiß nicht mal, dass man eine getroffen hat. Man wusste im Grunde nicht mal, dass sie überhaupt ansteht. So wie diese Entscheidung hier. Ich habe sie getroffen, ohne davon zu wissen. Und wenn Teresa mich nicht gefragt hätte, wüsste ich nicht mal, dass ich die Entscheidung getroffen habe.
Teresa war mit ihrem Chef in der Bluesbar, sie kommen jetzt regelmäßig, die beiden, mindestens einmal in der Woche, meistens am Mittwoch, und sie haben immer noch nicht miteinander geschlafen haben, was mich natürlich nichts angeht, aber Teresa hat´s mir trotzdem erzählt, über einem Amore Mio , das ist ein Erdbeer-Sahne-Cointreau-Cocktail, der so rosa aussieht, dass es ein grünes Blatt Pfefferminze braucht, um das Rosa ein bisschen abzumilden, sonst wäre es garnicht auszuhalten und man würde in einer rosaroten Wolke aus Alkohol versinken, und so weiß ich auch, dass der Chef immer noch mit seiner Frau verheiratet ist und nach wie vor unglücklich, und Teresa ist ja auch noch verheiratet, ob glücklich oder unglücklich, dazu äußert sie sich nicht, aber so richtig glücklich kann es ja nicht sein, sonst wäre sie ja nicht so oft mit dem Chef in der Bluesbar. Das ist die Situation seit anderthalb Jahren. Ein permanenter in der Luft hängender noch nicht vollzogener Seitensprung.
Neulich habe ich auf der Toilette im Café Covas einen Spruch gelesen. Die Sprüche auf der Toilette im Café Covas sind nie lange da, sie werden vom Putzteam entfernt, das Café Covas ist schließlich ein hygienisch einwandfrei geführtes Café, aber diesen Spruch hätte man eigentlich lassen können, finde ich. Jedenfalls stand da, die Vereinigung zweier Körper ist einfach, die Vereinigung zweier Geist – ja was – wie heißt denn dieser Plural? Gut, dass ich nicht Deutsch unterrichte, sondern in der Bluesbar Klavier spiele. Ich habe mal Germanistik studiert, aber das ist lange her. Das war im letzten Jahrhundert. Im wahrsten Sinne des Wortes. Ein Geist, zwei Geister. Na – das kann es eigentlich nicht sein. Das gibt dem Ganzen ja eine ganz andere Bedeutung. Zweier Köpfe klingt auch doof, da denkt man ja sofort an siamesische Zwillinge, die auf eine OP in den USA warten. Zweier Seelen klingt nach Bines Esoteriktrip. Zweier Gemüter nach deutschem Heimatfilm. Zweier Gehirne klingt nach Frankenstein. Auf der Toilette stand´s auf Englisch. Da war von bodies und minds die Rede. Da ging es irgendwie.
(Gut, wenn man was zum Nachdenken hat, während man auf dem Flughafen wartet. Nicht, dass ich wieder die Süddeutsche kaufe und mich von Kontaktanzeigen deprimieren lasse oder Almkäsewirte anlocke).
Also die korrekte Formulierung wäre vielleicht: Die Vereinigung zweier physischer Körper ist einfach, die Vereinigung zweier psychischer Zustände
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