Knuddelmuddel
schwierig.
Mmhh.
Klingt jetzt nicht so sexy. Aber es ist klar, was gemeint ist. Und an Teresa und dem Chef sieht man, dass man eine Stufe der Vereinigung auslassen kann. Nämlich die körperliche. Denn im Geiste sind sie vereint. Wirklich. Echt. Man muss sie nur zusammen in der Bluesbar sehen. Man sieht es förmlich, wie sie miteinander verbunden sind. Bine würde wahrscheinlich sagen, sie haben eine gemeinsame Aura oder sowas in der Art. Teresa und der Chef sind das lebende Beispiel dafür, dass sich Untreue nicht nur in Sex manifestiert, sondern dass so eine geistige Untreue nicht nur möglich, sondern vielleicht sogar viel schlimmer ist als die körperliche, weil sie nämlich die Vereinigung zweier psychischer Zustände ist, und wenn ich die Frau vom Chef wäre, oder der Mann von Teresa, dann würde ich darauf bestehen, dass die beiden endlich miteinander schlafen.
Natürlich in der Hoffnung, dass das Ganze dann irgendwie auseinanderfliegt wie ein angestochener Luftballon. Na, ein angestochener Luftballon fliegt natürlich nicht auseinander, der fällt in sich zusammen und genau das würde ich erwarten und hoffen, und Mann, was bin ich froh, dass ich in diesem ganzen Spiel nicht mehr mitspiele, sondern die Pianistin bin, die sich wie in einem Theaterstück das Leben von außen ansieht. Die Leute denken, sie sind die Zuschauer, und ich bin auf der Bühne. Aber nein, es ist genau umgekehrt. Das Gegenteil ist der Fall. Ich bin die Zuschauerin. Die anderen spielen mir das Leben vor. Auf der Bühne des Lebens. Während ich sicher im Schutz meines Pianos zusehe und ihnen die musikalische Unterlegung für ihre Eskapaden liefere. Und ich bin völlig zufrieden damit.
So ist es gut.
So ist es endlich gut.
Ich habe mir jetzt ein Schild auf das Klavier gestellt. Darauf steht: Schießen Sie nicht auf die Pianistin. Das ist ein bisschen albern, das weiß ich auch, und Ricky hat naürlich gleich gesagt, ich soll das wieder wegnehmen und was sollen denn die Gäste denken und er findet das nicht witzig. Aber Bruno hat gesagt, Ricky soll mich lassen, und wenn ich das Schild auf dem Klavier stehen haben will, dann soll es dort stehen bleiben.
Bei Bruno habe ich echt einen Stein im Brett, seit der Caipimolan-Nacht. Und mal ehrlich, völlig zu Recht, denn ohne mich und meine Caipimolans wären die beiden doch garnicht mehr zusammen. Jetzt haben Ricky und Bruno wieder eine Beziehung und ich habe eine blau-lila Häkelmütze. Und wenn ich wählen könnte, was ich lieber als Endergebnis so eines Abends hätte, eine Beziehung oder eine blau-lila Häkelmütze, dann würde ich wieder die Häkelmütze nehmen. Und ruhig auch wieder in blau-lila, das ist eine schöne Kombination und passt zu erstaunlich vielen Jacken. Beziehungen sollen ja das Herz wärmen, Häkelmützen den Kopf. Beziehungen erfüllen diese Aufgabe nicht immer. Häkelmützen dagegen schon.
Das Schild habe ich wegen dieses Films aufgestellt. Schießen Sie auf den Pianisten, von Truffaut, ein Film, den ich nie gesehen habe, ist doch klar, dass man diesen Film nicht sieht, wenn man Pianistin in einer Bluesbar ist, jetzt mal ganz ehrlich. Obwohl, der Film ist schon ziemlich alt, Pianistin bin ich erst seit ein paar Monaten. Und früher habe ich ihn auch nicht gesehen. Aber vielleicht habe ich ja irgendwo in meinem Innersten schon immer geahnt, dass ich mal als Pianistin in einer Bluesbar ende.
Ende? Dass ich mal als Pianistin in einer Bluesbar ende? Das ist das völlig falsche Wort. Dass ich mal Pianistin in einer Bar werde. So muss es heißen. Pianistin werde. Wie bin ich da jetzt eigentlich darauf gekommen? Ach ja – wegen meiner Entscheidung.
Teresa hat mich also gefragt: und wann gehst du nach Deutschland zurück?
Und ich habe gesagt: Ich gehe nicht nach Deutschland zurück.
Und erst in diesem Moment wurde mir klar: In der Tat, ich gehe nicht nach Deutschland zurück, ich bleibe hier, ich bleibe hier in Lissabon, das ist jetzt meine Stadt.
Teresa hat gesagt: Aber vermisst du Deutschland denn garnicht? Das ist doch schließlich deine Heimat!
Und ich habe gesagt: Kann schon sein, dass Deutschland meine Heimat ist, und natürlich vermisse ich es manchmal, aber das hier ist jetzt mein Zuhause.
Vielleicht sollte ich doch die Süddeutsche kaufen. Vielleicht auch etwas anderes, irgendeine Zeitung, um mich abzulenken. Die Warterei hier auf dem Flughafen zieht sich mal wieder hin. Der Flug aus Hamburg ist zwar gelandet, aber das Gepäck ist noch nicht ausgeladen. Das
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