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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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kann man jetzt auf diesen neuen Anzeigetafeln sehen. Früher wusste man nicht, warum man rumsteht und wartet, man fragte sich: was ist da bloß los? Jetzt weiß man, warum man rumsteht und wartet, man fragt sich nicht mehr, was ist da bloß los, weil man ja weiß, es hängt am nicht ausgeladenen Gepäck. Und da hat man den Kopf frei für andere Gedanken. Ob das gut ist, ist eine andere Sache.
    Ah – da sind sie ja endlich.
    Andrea und Bine.
    Endlich.
    Es ist der Weihnachten ausgefallene und dafür auf meinen Geburtstag verlegte Besuch. Weihnachten fiel ja weg, weil erstens Bine Weihnachten mit dem Enkelkind verbringen wollte (das hätte man ihr mal damals sagen sollen, als wir zu Uni-Zeiten nach einem Filmabend im Goldbekhaus über die Rolle der Frau diskutiert haben!). Und weil zweitens Andrea eine kurze aber heftige Affäre mit einem ihrer Patienten hatte. Das weiß natürlich keiner außer uns, also Bine und mir. Und dem beteiligten Patienten. Er war sogar Single und so gesehen verfügbar für eine Beziehung. Aber es verstößt natürlich gegen den Codex Arzt und Patient, und ist deswegen nicht korrekt, sagt Andrea. Und ob Homöopathen Ärzte sind oder nicht, darüber diskutiert sie mit uns nicht. Es fing am dritten Advent an und war am Weltknuddeltag vorbei. Ausgerechnet. Wann der Weltknuddeltag ist? Am 21. Januar, natürlich. Manchmal wird er auch Tag der Umarmung genannt, aber Weltknuddeltag ist viel schöner, finde ich. Warum er so wenig gefeiert wird? Keine Ahnung. Es ist ja im Grunde ein Tag, den man sehr viel mehr feiern sollte. Genau wie den Tag des Kusses am 6. Juli, zum Beispiel. Natürlich nicht so wie Andrea. Das war ja praktisch das Gegenteil. Vielleicht sollte man auch einen Weltknuddelmuddeltag einführen. Einen Tag, an dem wir alle mal so richtig würdigen, wie kompliziert das alles ist. Von mir aus an meinem Geburtstag, also am siebenundzwanzigsten April, das würde irgendwie passen.
    Und dann stehen sie endlich vor mir und wir fallen uns die die Arme.
    Übermorgen ist mein einundfünfzigster Geburtstag.
    Heute vor einem Jahr war ich noch mit dem João zusammen und mal ehrlich, ich dachte, das geht einfach so weiter und das ist der Rest meines Lebens. War´s dann aber doch nicht, so kann man sich täuschen.
    Übermorgen vor einem Jahr wurde ich fünfzig und der João hat mich verlassen. Jetzt liegt ein ganzes Jahr hinter mir.
    Die Trennung von João.
    Die kurze wenig emotionsgeladene und daher entsprechend friedliche Beziehung mit Tom, eine Beziehung, von der ich immer noch denke, schade eigentlich, dass das nicht geklappt hat. Wirklich schade.
    Mein Herz-Schmerz-Hornissen-im-Bauch-Leiden wegen Claudio, meines von Moskau verschluckten Mathematikers.
    Mein kaputtes Knie und mein Job in der Bluesbar.
    Der perfekte Mann in Gestalt von Jens Neumann und die leider fehlende Magie.
    „Und?“, sagt Andrea, „wie geht es dir?“
    „Gut siehst du aus“, sagt Bine.
    „Ihr auch“, sage ich.
    „Und jetzt zeigst du uns dein Lissabon“,sagt Andrea.
    „Aber hallo“, sage ich. „Jetzt zeige ich euch mein Lissabon.“
     
    Nach einem Tag, der dazu führt, dass uns a) die Füße so richtig wehtun, und das, obwohl wir alle drei vernünftige Schuhe anhaben, weil wir ja keine einundzwanzig mehr sind und wir b) einsehen, dass einundfünfzig sein eben gute dreißig Jahre mehr auf dieser Welt bedeutet als bei unserer Reise nach Paris, und dass sich da einfach ein paar Verschleißerscheinungen im (und am) Körper zeigen, sitzen wir abends völlig erschlagen drüben auf der anderen Seite vom Tejo und warten vergeblich auf das Boot, von dem wir annahmen, dass es wieder auf die Zuhause-Seite des Tejos bringt. Aber Pustekuchen.
    Dieser Tag war schön. Ich bin mit den beiden ins Marionettenmuseum gegangen und wir haben die Puppen aus aller Welt bewundert. Wasserpuppen, die in einem Boot schaukeln. Punch und Judy, Mann und Frau, die Anfänge des Kasperle-Theaters. Ausser Punch und Judy gehörten traditionell noch das Baby dazu, sowie ein Clown und ein Krokodil. Interessante Kombi. Und wahrscheinlich ganz aus dem Leben gegriffen, damals wie heute. Und das Krokodil ist einfach ein Symbol. Für alle Widrigkeiten des Lehens. Wir lesen die Texte, sehen die Puppen, feine Puppen, grobe Puppen, Puppen an Fäden, Handpuppen, Puppen an Stäben. Wir bewundern die schablonenartigen Figuren für das Schattentheater, die Wirkung von Licht und Silhouette.
    Wir essen in einem Restaurant in der Rua da Conceiçao in der Baixa zu

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