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Knuddelmuddel

Knuddelmuddel

Titel: Knuddelmuddel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annegret Heinold
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Älterwerden ist schwieriger, als man dachte. Und so richtig Spaß macht es auch nicht.
    Da, ein Geräusch. Ich sehe hoch.
    Ein Mann hat den Warteraum betreten. Er ist jung. Oder sagen wir, auf jeden Fall jünger als wir (wenn wir hier schon beim Alter sind). Er hat dunkle Haare und trägt zerschlissene Jeans und ein ärmelloses T-Shirt. Er hat die Arme tätowiert. Von oben bis unten. Aber keine künstlerischen oder gut gemachten Tätowierungen. Das sieht eher aus wie aus Armeezeiten, Übersee, Angolakrieg. Eine ungeschickt gemalte Meerjungfrau in verblichenen Farben auf dem einen Arm, ein blau-grünes Herz auf dem anderen. Durch das Herz ein Pfeil. Der Name Julia. Man sieht, dass jemand versucht hat, das Julia wieder zu vernichten. Aber die Tätowierung ist wieder durchgekommen. Und so ist Julia wohl längst aus seinem Leben verschwunden, aber auf seinem Arm wird sie für immer bleiben.
    Der Mann stellt einen kleinen Koffer auf die Bank und macht den Deckel auf. Es ist ein tragbarer Plattenspieler. Dass es sowas noch gibt! Ich wusste garnicht, dass es sowas noch gibt. Ein Teil wie aus dem Museum. Das gab es, als ich Kind war. (Bedeutet das, dass ich auch ein Teil wie aus einem Museum bin? Ich hoffe nicht. Aber manchmal – ja manchmal – nicht drüber nachdenken. Morgen ist mein einundfünfzigster Geburtstag. O Gott.) Auf dem Plattenspieler liegt sogar eine Platte. Der Mann hebt den Arm des Plattenspielers (seinen auch, natürlich, um die Geste durchzuführen, es ist der Arm mit dem Herzen und Julias nicht zu vernichtendem Schriftzug) und legt ihn vorsichtig auf die Platte. Die Musik setzt ein. Jemand singt. Charles Aznavour.
    Bine sieht von ihrem Handy hoch. Andrea dreht sich um. Jetzt starren wir alle Drei den Mann mit dem Plattenspieler an. Im Warteraum ist es dämmerig. Wieso ist hier kein Licht? Ich sehe hoch. Es gibt viele Lampen, aber nur eine hat Licht. Alle anderen Birnen sind kaputt. Man müsste hier mal die Birnen wechseln. Und fegen. Den Müll rausbringen. Und ein neuer Anstrich könnte auch nicht schaden.
    Charles Aznavour singt.
    Der Mann vor dem Plattenspieler redet mit sich selber. Oder mit Julia, ganz wie man´s nimmt. Julia ist zwar nicht anwesend, aber die Worte sind ganz eindeutig an sie gerichtet.
    Du bist schuld, sagt der Mann. Er hebt den Arm, er sieht auf das Herz. Du hast mich verlassen. Das hat mich ruiniert. Alles wäre anders geworden, wenn du bei mir geblieben wärest, Julia. Ich habe dich geliebt, Julia. Ich habe dich wirklich geliebt. Ich wollte dir nicht weh tun. Ich liebe dich immer noch. Für mich hat es nie eine andere Frau gegeben. Nie. Du weißt, dass die anderen nichts bedeutet haben. Du weißt, dass ich dir nicht weh tun wollte. Nicht wahr, Julia? Julietta. Warum hast du mich verlassen, wie konntest du mir das antun, du bist schuld. Julia. Julietta, Julia ...
    Was jetzt kommt, kann ich nicht mehr verstehen, der Mann murmelt vor sich hin. Er hält seinen Arm hoch und er redet mit seinem Arm.
    „Sag mal, bist du sicher, dass wir hier richtig sind?“, fragt Bine.
    „Warum nehmen wir nicht einfach ein Taxi?“, sagt Andrea.
    „Du hast recht“, sage ich. „Natürlich, wir nehmen ein Taxi.“
    Ich glaube, der Mann merkt garnicht, dass wir den Warteraum verlassen, so ist er in den Monolog an Julia versunken.
    Und Charles Aznavour singt dazu: Yesterday when I was young, the taste of life was sweet as rain upon my tongue …
     
    Happy Birthday to you, happy birthday to you, happy birthday liebe Elke, happy birthday to you! Andrea und Bine stehen mit Kuchen mit Kerzen vor meinem Bett und singen.
    „Geht´s vielleicht auch auf Deutsch?“, frage ich.
    „Das ist deutsch“, sagt Bine und grinst. „So wird das in Deutschland gesungen. Haste wohl vergessen, wie?“
    „Sie ist schon so lange weg, dass sie kein Deutsch mehr erkennt“, sagt Andrea. „Ts ts ts ... ich dachte, du hast jetzt deutsches Fernsehen.“
    „Es gibt keine deutsch-deutsche Version?“, frage ich.
    „Glaube ich nicht,“ sagt Andrea und schütelt dazu noch den Kopf.
    „Wann ist das passiert, in der Besatzungszeit?“, frage ich. „Oder sind die Beatles schuld? Oder ist es der böse nordamerikanische Einfluß, der unsere schöne deutsche Sprache verdirbt?“
    „Jetzt lass die linguistischen Haarspaltereien und puste schon die Kerzen aus“, sagt Andrea. „Na, los.“
    Weil einundfünfzig Kerzen auf einem Kuchen viel Platz wegnehmen, haben sie nur zwei Kerzen in den Kuchen gesteckt. Eine Kerze mit einer

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