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Kobra

Kobra

Titel: Kobra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christina Czarnowske
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absieht.
    Der Minister legt das Blatt weg, überlegt ein Weilchen und fragt: „Delacroix ist ein Libanese, nicht wahr? Das ist gut.“ 
    Ich verstehe. Bei uns gibt es keine libanesische Botschaft, so fallen wenigstens die Formalitäten mit der Botschaft weg.
    „Wir müssen seine Angehörigen verständigen“, schlage ich vor. „Aber da der Tote offenbar keine weiteren nahen Verwandten hat, müssen wir es vielleicht zuerst dem Neffen mitteilen. Telefonisch oder per Fax.“ 
    „Gut.“ Der Minister nickt. „Warten wir seine Antwort ab. Was schlägst du sonst noch vor?“ 
    Der Minister und ich kennen uns seit fünfzehn Jahren. Er war damals natürlich noch nicht Minister, und der Rangunterschied zwischen ihm und mir war so, wie er jetzt zwischen mir und Sophie ist, aber bereits damals fragte er auf dieselbe Art mit einem dünnen Lächeln in den Augen: „Was schlägst du vor?“ 
    Was schlägst du vor, die inoffizielle Anrede – kann nur bedeuten: Lass hören, mein Lieber, ob du dir mit Fantasie was ausgedacht hast, was auch mir nicht in den Sinn gekommen ist!
    „Zuerst schlage ich vor, Delacroix’s Tod geheim zu halten.“ 
    „Lass hören.“ 
    „Die Umstände ermöglichen das. Nur ein, zwei Leute haben Delacroix tot gesehen und können instruiert werden. Er ist in der Aufnahme des Hospital Saint-Louis gestorben und dort nicht registriert, sondern sofort zur Gerichtsmedizin gebracht worden. Dort kann man alles geheim halten.“ 
    „Was gewinnen wir dadurch?“, fragt der Minister, aber ich sehe, dass ihm dieser Schachzug gefällt und er nur der Form halber fragt. 
    „Wir wissen das Wichtigste noch nicht – Selbstmord oder Mord. Möglich wäre es. Aber es fehlt der konkrete Anstoß, das, was Delacroix veranlasst hat, sich gerade hier und in dieser Nacht umzubringen, nachdem er Vorkehrungen zur Abreise getroffen und sie sogar angekündigt hat.“ 
    „Richtig.“ 
    „Ein Mord ist keinesfalls ausgeschlossen, wenn auch unwahrscheinlich. Es gibt keine Spuren von Gewaltanwendung, es hat kein Kampf stattgefunden. Wer ließe sich schon eine tödliche Dosis Morphin spritzen? Am wenigsten ein Mann wie Delacroix. Bleibt das dritte – Euthanasie, freiwillige Tötung mit Einwilligung des Getöteten. Jedenfalls kennen wir weder die Beweggründe noch die Rolle der geschmuggelten Drogen. Wir haben keinen Faden, den wir fassen könnten.“ 
    „Klar.“ Der Minister nickt. „Ich nehme an, dass sich doch irgendjemand melden und Verbindung mit Delacroix aufnehmen wollen wird. Davon gehen wir aus. Ein bisschen mager.“ 
    „Herr Minister“, ich bleibe offiziell, „wir werden auch die Gäste aus den Nachbarzimmern befragen. Nach Aussage des Etagendienstes sind in dieser Zeit keine Fremden gekommen und gegangen. Wenn also einer von ihnen in Delacroix Tod verwickelt ist, muss er noch dort sein.“ 
    Der Minister wiegt den Kopf, dann kramt er im linken Schubfach und holt ein Blatt Papier heraus, das er mir gibt.
    „Lies das mal.“ 
    Ich lese. Es ist ein Fax, in dem uns von Interpol mitgeteilt wird, dass in den letzten Tagen Bewegung unter den Drogenschmugglern des Nahen Ostens beobachtet worden ist, und speziell: Sie hätten Informationen, dass der berüchtigte Rai Bentago, mit Spitznamen „die Kobra“, sich in Frankreich aufhält. Ich gebe dem Minister das Fax zurück und schweige. Was soll ich dazu sagen? 
    „Halt dir das also vor Augen“, beginnt er. „Kann sein, es hat nichts damit zu tun, kann aber auch sein, die ganze Sache steht für die Kobra.“ 
    Er lächelt nicht sehr fröhlich, und ich weiß, warum. Von der Kobra haben wir gehört. Schlau und rücksichtslos, berechnend und schnell, ist sie der lange Arm einer der Mafias, die Drogen schmuggeln.
    „Gut“, sagt der Minister. „Handle. Mal seh’n, womit uns die Kollegen von der Spezialeinheit der Police Nationale helfen werden. Was brauchst du für Leute und welche Dolmetscher?“ 
    Wir sprechen uns wegen der Mitarbeiter ab. Was die Dolmetscher betrifft, brauche ich fürs erste außer Maria keinen anderen.
    „So, das wär’s“, schließt er und notiert sich etwas im Kalender auf seinem Schreibtisch. „Lass von dir hören ... bald!“ 
    Das heißt: Nun, ich will dich nicht drängen, aber du weißt selbst ...
    Ich weiß sehr gut. Für Delacroix’s Tod fehlt uns das Motiv. Und ein Tod ohne klare Motive ist wie ein Teufelskreis. Man kann herumlaufen, wie man will, und landet immer am Anfang. 
    Ich kehre auch dorthin zurück, wo ich

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