Kobra
er schon mindestens zehnmal war, und falls er mit Raphael Delacroix und dessen Tod etwas zu tun hat, wird er uns zufrieden auslachen. Hoffentlich hat er es nicht.
Auf jeden Fall muss ich die bittere Pille schlucken.
„Ich habe angeordnet, dass sein Zimmer nicht aufgeräumt wird“, berichtet Sophie. „Ich komme jetzt von oben, vielleicht wollen Sie es sehen.“
Das ist immerhin etwas. Ich wechsle noch ein paar Sätze mit Sophie, hauptsächlich rede ich, denn es sind Aufträge zu erledigen, dann trenne ich mich von ihr und gehe zur Rezeption, wo Legrand und Chloé Leroy stehen. Inzwischen hat sich eine weitere Frau dazugesellt.
„Juliette Merceau, unsere Buchhalterin“, stellt Jean Legrand sie vor. „Wegen der Zimmerbestellung... und das Videoband liegt auch bereit.“
„Das Fax habe ich weggeworfen, Dr. Bouché“, unterbricht sie den Empfangschef. „Nachdem der Herr gestern das Zimmer bezogen hatte, habe ich es weggeworfen, ich hätte ja tonnenweise Papier, würde ich das alles aufheben. Außerdem verblassen Faxe ja innerhalb eines Jahres, Sie verstehen ...“
Ich verstehe. Es ist unangenehm, aber auch wiederum nicht gar so schlimm, dass es nicht mehr da ist. Es wird Sophie ein, zwei Stunden kosten, es auf dem Computer zu suchen.
„Wo kam es her, erinnern Sie sich?“
„Aus Beirut und es ist schon eine ganze Weile her. Kann sein, vor mehr als zehn Tagen. Es schien ein recht anspruchsvoller Herr zu sein.“
„Anspruchsvoll? Was meinen Sie damit?“
Das Fax sei recht merkwürdig gewesen – er habe ein Einzelzimmer in der dritten Etage verlangt. Danach habe, es müsse vor ungefähr einer Woche gewesen sein, sein Sekretär angerufen. Nein, nicht bei ihr, bei der Kollegin vom Tagdienst an der Rezeption. Er habe sich erkundigt, ob das Zimmer reserviert sei. Herr Delacroix bestehe auf Zimmer 330, weil er gewohnt sei, dort zu wohnen, berichtet sie.
Das ist etwas Neues. Raphael Delacroix gehörte sicher nicht zu den Leuten, die bloß so, aus einer Laune heraus, auf einem bestimmten Zimmer bestanden. Das muss einen tieferen Grund haben. Er hängt im Drogenschmuggel drin, nur was hat das mit 330 zu tun? Worin unterscheidet sich dieses Zimmer von den anderen?
„Die Kollegin hat gesagt, man werde das Zimmer reservieren, es sei frei“, fährt Juliette fort und schließt unversehens: „Das ist alles.“
„Herr Delacroix ist gestern gegen Mittag angekommen, nicht wahr?“, wende ich mich an Chloé. „Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht?“
„Jaaa ... nichts Besonderes. Ein seriöser, älterer Herr. Solche kommen am Tag viele vorbei.“
Das ist es eben, dass gerade nicht viele wie Delacroix vorbeikommen.
Mehr weiß Chloé Leroy nicht. Delacroix habe nach dem reservierten Zimmer gefragt, bezahlt, den Schlüssel entgegengenommen, der Liftboy habe seinen Koffer gegriffen und danach habe sie Delacroix nicht mehr gesehen.
Mehr gibt es nicht zu fragen. Ich überlasse Chloé Leroy ihren Pässen und frage Legrand nach den Überwachungsvideos. Er führt mich wortlos in sein Büro. Der Empfangschef macht eine bedauernde Handbewegung, blickt zu Boden und murmelt: „Dr. Bouché, es ... es ist mir schrecklich unangenehm, Ihnen das nun zu sagen ... aber es gibt keine Aufzeichnungen. Die Kameras sind derzeit nur zum Schein installiert, als Abschreckung ... es ist furchtbar peinlich.“
Das ist nun ein Schlag ins Wasser, was für eine Schlamperei!
„Aber bitte, das ist Novotel? Wie ist das möglich?“ Ich bin einigermaßen sprachlos.
Legrand hüstelt, dann sagt er: „Überall im Haus sind echte Kameras und die Aufzeichnungen werden rund um die Uhr gemacht. Bloß in der „kleinen Etage“ sind sie nach der Renovierung nicht mehr angeschlossen worden, weil ohnehin der Nachtkellner dort mit seinem Shop tätig ist.“ Er seufzt und windet sich.
„Ausgerechnet“, kann ich mir nicht verkneifen, kombiniere aber sogleich, dass Delacroix wahrscheinlich genau aus diesem Grund auf ein Zimmer dieser Etage bestanden haben muss. Natürlich! Er hat das gewusst.
„Ist das den Stammgästen dieses Hauses bekannt?“, frage ich nach.
„Könnte sein, denn unsere Gäste, von denen wir wissen, dass sie mit großen Werten auf Reisen gehen, ersuchen wir, nicht in der „kleinen Etage“ zu wohnen, wie wir diesen Bereich nennen.“
Damit ist mir klar, dass Delacroix das irgendwie aufgeschnappt haben wird.
Legrand steht vor mir wie ein Häufchen Elend, ich lenke ihn ab: „Wie sieht es
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