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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als das Wimmern nicht aufhörte, stürmte er ins Haus und brüllte die Hebamme an, ob sie beim Viehdoktor in der Lehre gewesen wäre.
    Ludwiga Solle, so hieß die Hebamme, eine kräftige Siebzigjährige mit Schaufelhänden und Armmuskeln wie ein Ringer, das Haar zu einem dicken Knoten mitten auf den Kopf getürmt, stieß Kochlowsky vor die Brust und sagte herrisch: »In die Küche! Ich brauche heißes Wasser! Gleich kommt es! Den Kopf sehe ich schon …« und schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
    Dann hörte Kochlowsky durch die Tür den ersten hellen Schrei seines Kindes, sah Ludwiga Solle mit blutigen Tüchern herauskommen, und plötzlich schlug er beide Hände vor die Augen, begann zu weinen und stammelte: »Mein Schatzel, mein armes Schatzel … was habe ich dir angetan …«
    Ludwiga Solle sah die Jammergestalt Kochlowsky mißmutig an, drückte ihm die Schüssel mit den blutigen Tüchern in die Hand und sagte verächtlich: »Memme! Alle Männer sind Memmen! Das Kinderkriegen müßte abwechselnd gehen – mal sie, mal er –, dann gäb's überall nur ein Kind! Los, frisches Wasser, Leo Kochlowsky …«
    Am 1. Dezember 1889 fand die Taufe von Wanda Kochlowsky statt.
    Ein ungeheures Ereignis, wie es das Städtchen Wurzen und der evangelische Pfarrer Paulus Maltitz noch nie erlebt hatten und auch nicht wieder erleben würden.
    Aus Pleß reisten die Gäste an: Patin Wanda Reichert, geborene Lubkenski, die Erste Köchin des Fürsten Pleß, ihr Mann, der Leibkutscher Jakob Reichert, der Leibjäger des Fürsten Ewald Wuttke – aber das war noch gar nichts gegen das Eintreffen von Eugen Kochlowsky, dem zweiten Paten und Bruder Leos, und dem Kunstmaler Louis Landauer, der zehn Mitglieder des Vereins ›Dramatische Gesellschaft von Pleß‹ mitbrachte, fünf Ehepaare, die zum Höhepunkt des Festes ›Lebende Bilder‹ darstellen sollten.
    Über Wurzen brach so etwas wie ein moralisches Erdbeben herein.
    Eine Taufe ist eine besonders feierliche Handlung und ein wichtiger Schritt des jungen Erdenbürgers in die Zukunft. Nicht nur, daß er ein Christ wird, sondern er bekommt auch das Recht, mit dem Beginn eines eigenen Einkommens Kirchensteuer zu bezahlen.
    Verständlich deshalb, daß Leo Kochlowsky als Vater und in Vertretung seiner Tochter Wanda beim evangelischen Pfarrer von Wurzen, Herrn Paulus Maltitz, dem angesehenen ehemaligen Hofprediger von Dresden, vorsprach. Wurzen war, das haben wir schon gesagt, um 1889 eine Kleinstadt, in der sich alles herumsprach, was so in und um den Häusern herum geschah. Es gab noch echte Nachbarn, die Freude und Leid, Glück und Neid miteinander teilten, kaum etwas blieb verborgen, auch wenn es noch so ein großes Geheimnis sein sollte, und keine Stadt ist zu klein, als daß sie nicht ihre Skandälchen haben könnte.
    So war man auch in Wurzen seit fünf Monaten damit beschäftigt, sich mit dem neuen Ziegeleiverwalter des Grafen Douglas zu beschäftigen, mit diesem Leo Kochlowsky, der selbst wie ein Graf in einem Einspänner herumfuhr oder gar – vor allem an Sonntagen – in einem eleganten Reitrock und blanken Juchtenstiefeln – von einem polnischen Schuster, die unerreichte Meister im Stiefelmachen waren, in Nikolai handgefertigt – durch die Wälder ritt, auch einmal über die Hauptstraße des Städtchens, und es für selbstverständlich hielt, daß man ihn zuerst grüßte. Vor allen den Frauen schlug das Herz schneller, wenn Kochlowsky mit stechendem Blick und seinem im Reitwind wehenden schwarzen Bart an ihnen vorbeitrabte und sie ungeniert musterte. Man kam sich wie ausgezogen vor, wie von Blicken umklammert – für eine biedere Wurzener Frau ein unheimliches, tiefes und brennendes Erlebnis, das im Gedächtnis haften blieb.
    Aber es hatte sich auch herumgesprochen, daß Leo Kochlowsky fast mit allen, denen er bisher begegnet war, in Streit lebte, angefangen beim Bäckermeister Karl Pfeffer, dessen Brötchen nicht knusprig genug waren, bis zum Krämer Martin Lobsam, wo Kochlowsky seine Zigarren und seinen Tabak holte. Die Zigarren nannte er ›gerollten Schafsmist‹, und der Tabak war für ihn nur ›getrocknete Brennesseln‹. So etwas schafft keine Harmonie unter Menschen. Am ärgsten aber traf es den Ersten Buchhalter der Ziegelei, den armen Dauerschnupfer Theodor Plumps; ihm ließ Kochlowsky eines Tages einen hohen Eimer voll heißes, dampfendes Mentholwasser ins Büro schicken mit der Anweisung, er solle inhalieren und sich ausrotzen. Plumps blieb darauf drei Tage krank

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