Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
schon gehört?«
»Nein. Ich betrete eine Kirche nur im äußersten Notfall: als Säugling in Nikolai, da konnte man mich nicht fragen; als Konfirmand, da mußte ich, denn mein Vater ohrfeigte mich bis fast vor die Kirchentür; und bei meiner Hochzeit, weil es Sophie, meine Frau, so wollte.«
»Und jetzt?« fragte Maltitz, keineswegs betroffen oder gar beleidigt.
»Wieder Sophie zuliebe. Und weil Wanda in unserer Gesellschaft nicht als Heidin herumlaufen soll.« Kochlowsky nahm eine Zigarre aus dem Ebenholzkästchen, brannte sie mit einem Fidibus, den er an einer Kerze entzündete, an und sah ein paar Augenblicke dem dichten weißen Rauch nach, der neben Maltitz' Gesicht vorbei ins Zimmer schwebte. »Eine gute Zigarre, Herr Pfarrer. Ich möchte mir eine zweite erbitten, die ich Lobsam in die Visage rauchen werde … Ja, Wanda! Sie soll getauft werden. Wanda Eugenie Emma. Wie geht das eigentlich vor sich?«
Pfarrer Maltitz erklärte ihm den Taufritus. Mit zusammengezogenen Augenbrauen hörte Kochlowsky zu, ohne den Pfarrer zu unterbrechen. Erst als Maltitz fertig war, sagte er:
»Also am Sonntag! Vor der ganzen Gemeinde? Muß das sein?«
»Es ist bei uns so üblich. Warum nicht?«
»Wie wäre es mit einer Haustaufe?«
»Ich bin der Ansicht: Wer sich zu Gott bekennt, soll es öffentlich tun!«
»Wanda weiß ja nicht, was mit ihr geschieht.«
»Aber Sie, die Eltern, stellvertretend für das neue Kind Gottes. Es sei denn, Ihre Frau ist so krank, daß sie nicht in die Kirche kommen kann.«
Kochlowsky sah einen schmalen Lichtblick. »Sophie ist eine ganz zarte Frau. Man hat Angst, sie anzufassen, sie könnte zerbrechen.«
»Natürlich werde ich Ihre Frau vorher besuchen«, sagte Maltitz sehr milde. »Ich zweifle nicht daran, daß sie in die Kirche kommt.«
»Da ist noch etwas.« Kochlowsky saugte an seiner Zigarre. »Sie sagten eben, Herr Pfarrer, die Paten halten den Täufling über das Taufbecken …«
»So ist es.«
»Ein Pate – Eugen, daher Eugenie – ist mein Bruder. Er läßt meine Wanda todsicher ins Becken fallen. Mein Bruder ist ein Rindvieh! Ein Romanschriftsteller, da braucht man sich über nichts mehr zu wundern. Und die Patin – Wanda, Wanda Lubkenski, jetzt verheiratete Reichert – kann zwar Schweinsköpfe zerhacken, aber ob sie ein so zartes Wesen wie meine Wanda halten kann …«
»Es wird alles gutgehen, Herr Kochlowsky«, sagte Maltitz und lächelte dabei ermunternd und gütig. »Ich habe so viele Taufen hinter mir …«
»Und wenn sie ins Taufbecken fällt – kann sie darin ertrinken?«
»Keinesfalls! Da ist nur ganz wenig Wasser drin.«
»Dann könnte sich Wanda aber das Genick brechen! Nein, mein Kind halte ich über das Becken – oder keiner!«
Da war er wieder, der andere Kochlowsky, der unfaßbar weiche, besorgte, im Grunde hilflose Mensch, der unerkannt hinter einem Panzer lebte. Ein Mensch, der auch nicht erkannt und durchschaut werden wollte und sich dagegen wehrte, irgendwie schwach zu sein.
»Wir werden das alles sehen und – wenn Sie wollen – sogar mit einer Puppe üben«, meinte Pfarrer Maltitz väterlich. »Haben Sie einen Lieblingsspruch, den man als Taufspruch für Wanda nehmen könnte?«
»Keinen aus der Bibel! Ich habe mich nie um die Bibel gekümmert.«
»Und Ihre Frau?«
»Sophie kennt jedes Kirchenlied. Und in der Bibel hat sie gelesen wie in einem Buch.«
»Die Bibel ist ja auch das Buch der Bücher.« Maltitz dachte kurz nach. »Wie wäre es mit ›Sei getreu bis an den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben‹? Offenbarung des Johannes II/10?«
»Machen Sie das mit Sophie aus, Herr Pfarrer.« Kochlowsky erhob sich und legte die halb gerauchte Zigarre in den Zinnaschenbecher. »Welch eine merkwürdige Gesellschaft ist die Kirche doch. Da nimmt sie einen Neugeborenen auf und spricht vom Tod. Da gefallen mir andere Sprüche besser. ›Im Fall eines Falles – ihr könnt mich alle!‹ Das ist lebensnah! Aber so kann man ja nicht taufen.«
»Nein, das kann man nicht.« Maltitz lächelte breit. Kochlowsky war ihm irgendwie sympathisch, nur fand er keine Erklärung dafür. »Ich komme übermorgen zu Ihnen hinaus. Recht so?«
»Es muß wohl sein.«
Kochlowsky ging zur Tür, aber ein Ruf des Pfarrers hielt ihn zurück. »Ihre Zigarre! Nein, nicht die gerauchte, die neue. Für Lobsams Visage …«
Kochlowsky spürte so etwas wie Beschämung. Du predigender Hund, dachte er, um dieses Gefühl zu bekämpfen. Der Stich in die Moral! Du
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