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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinüber zu seinem großen, hölzernen Schlitten. Aber kurz davor machte er kehrt, ging in den Stall zurück, zeigte auf eine schöne, dicke Mastgans und sagte: »Die nehme ich mit.«
    Der Arbeiter nickte ehrfurchtsvoll, holte die Gans aus dem Gatter und steckte sie in einen Sack. Kochlowsky schulterte den Sack mit der wild zuckenden Gans, stampfte zu seinem Schlitten und fuhr schnell davon. Hinter ihm stob der Schnee wie eine weiße Wolke in den kalten Himmel.
    Blandine sah das nicht mehr. Sie saß wieder vor dem riesigen Spiegel in ihrem Boudoir, starrte in ihr verweintes Gesicht und sagte laut zu ihrem Spiegelbild:
    »Wenn du kommst, Leo … ich steche dich ab! Ja, das werde ich tun! So etwas wie du darf nicht weiterleben!«
    Aber sie wußte in dem Augenblick, als sie das sagte, daß sie, wenn er zu ihr kam, alles andere tun würde, nur nicht das, was sie jetzt ihrem Spiegelbild entgegenschrie.

VIII
    Im ganzen Haus duftete es nach Bratäpfeln, Zimtsternen und Gänsebraten, ein nur an Weihnachten vorhandener, verführerischer, himmlischer Duft, der allein schon feierlich und selig machte.
    Auch in der Ziegelei war in den vergangenen zwei Tagen die Vorfreude auf das deutscheste aller Feste spürbar gewesen. Graf Douglas hatte die Belegschaft in der großen Lagerhalle zusammengerufen und eine Rede gehalten, die den Dank für die bisher geleistete Arbeit und die Treue zur Firma ausdrücken sollte. Da das jedes Jahr so war, hatte Leopold Langenbach sich an Kochlowsky gewandt mit der Frage: »Wollen Sie diesmal die Dankesrede im Namen der Belegschaft halten?«
    »Warum ich?« hatte Kochlowsky geantwortet.
    »Als neuer zweiter Betriebsleiter …«
    Das Wörtchen ›zweiter‹ genügte, um Kochlowsky sofort in einen Dampfkessel zu verwandeln. »Wer das bisher getan hat, soll es auch weiter tun!« rief er. »Ich habe keine Übung in Arschkriecherei!«
    »Es geschieht aus Höflichkeit und Dankbarkeit«, sagte Langenbach ernst. »Wollen Sie nicht an der Feier teilnehmen?«
    »Das ist allein meine Entscheidung, die Sie nichts angeht.«
    Die kurze Weihnachtsfeier in der Ziegelei verlief ohne Zwischenfälle, Langenbach hielt die Dankesrede wie jedes Jahr, dann wurden an jeden Arbeiter und jede Arbeiterin Spannkörbchen mit Süßigkeiten, Gebäck und Obst verteilt, die Männer bekamen dazu noch ein großes kariertes Taschentuch aus Leinen, die Frauen einen Wollschal, die Angestellten der Verwaltung ein Extrageld von zehn Goldmark und die beiden leitenden Herren sogar zwanzig Goldmark. Das war ungeheuer großzügig, und Kochlowsky war gezwungen, sich untertänigst bei Graf Douglas für dieses Weihnachtsgeschenk zu bedanken.
    »Ich freue mich, daß Sie bei uns sind, Kochlowsky«, sagte Douglas und schüttelte ihm herzlich die Hand. »Was man auch über Sie in Wurzen erzählt … ich bin zufrieden mit Ihnen. Außerdem wußte ich ja, was ich mir von Pleß herüberhole. Haben Sie sich inzwischen in Ihrer neuen Heimat eingelebt?«
    »Meine Frau fühlt sich sehr wohl hier«, antwortete Kochlowsky ausweichend. »Und für meine kleine Wanda wird der Garten am Haus ein Paradies sein.«
    »Aber warum müssen Sie immer Streit anfangen, Kochlowsky?«
    »Ich fange ihn nicht an, Herr Graf, er läuft mir nach.«
    »Weil Sie immer hinaustrompeten, was Sie denken. Schlucken Sie doch mal fünfzig Prozent Wahrheit hinunter.«
    »Ich würde daran ersticken, Herr Graf.«
    »Aber es bringt Ihnen nur Feinde. Jeder Mensch ist mit vielen Fehlern behaftet, Sie besonders, Kochlowsky. Wenn wir alle vollkommen wären, ja, dann würden wir ersticken vor Langeweile.«
    Sie waren allein im Büro, an dessen Tür ›Comtoise‹ stand. Langenbach feierte noch mit den Arbeitern in der Halle. Daß Kochlowsky nicht daran teilnahm, hatte man erwartet – man wäre maßlos erstaunt gewesen, wenn er sich beispielsweise neben einen Fuhrknecht gesetzt und mit ihm einen Kümmel getrunken hätte. Daß er dies nicht tat, verschaffte Douglas die Gelegenheit, ganz privat mit Leo zu reden.
    »Irgend etwas bedrückt Sie doch, Kochlowsky«, sagte der Graf. »Fehlt Ihnen etwas?«
    »Ich hätte mir gern ein Pferd gekauft, Herr Graf.« Kochlowsky blickte an Douglas vorbei, als sehe er die weiten Felder von Pleß vor sich, die rauschenden Wälder, die er mit seinem Pferd übersprungen hatte, die Teiche, an denen sie rasteten und aus deren klarem Wasser das Pferd trank.
    »Sie sind doch schon berühmt dafür, daß Sie zu Pferd durch Wurzen klappern.«
    »Mit einem geliehenen,

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