Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
mit schräg geneigtem Kopf und wedelte mit dem buschigen Schwanz. Er hatte ein freches, herausforderndes Gesicht, kleine, kluge Augen und messerscharfe spitze Zähne, die er bei geöffneter Schnauze deutlich zeigte.
»Ist er nicht süß?« fragte Sophie und hockte sich neben den Hund. »Es ist ein Spitz. Ein großer Spitz … Ein Fell, weiß wie der Schnee … Und erst fünf Monate alt. Er wächst noch.«
»Nimm mir das Kind ab!« schrie Kochlowsky und schluckte vor Wut. »Dem Aas breche ich das Genick. Es hat mich gebissen! Hast du das überhaupt gesehen? Er hat mich ins Bein gebissen!«
»Dein Weihnachtsgeschenk …«, sagte Sophie und streichelte den Spitz. Er knurrte leise, aber nicht warnend, sondern wohlig. Kochlowsky drückte das Deckenbündel mit Wanda an sich. Die Kleine schlief fest, obwohl ihr Vater so brüllte. Sie schien eine echte Kochlowsky zu werden.
»Was ist die Töle?« rief Leo.
»Mein Weihnachtsgeschenk für dich, mein Liebling …« Sophie richtete sich aus der Hocke auf. »Freust du dich?«
»Und wie!« Kochlowsky ging an Frau und Hund vorbei ins Haus, legte Wanda auf den Tisch neben den geschmückten Tannenbaum, tastete sein Bein ab, schob die Hosenbeine hoch und sah, daß nichts blutete, sondern die Zähne des Hundes nur einige dunkelrote Druckstellen hinterlassen hatten, dann starrte er den Spitz an, der schweifwedelnd ins Haus kam und sich brav vor Kochlowsky neben den Weihnachtsbaum setzte. Sieh mich an, ich bin ein Geschenk! konnte das heißen. Wie soll ich denn ahnen, daß du mein Herr sein sollst? Jetzt gibt es keinen Irrtum mehr.
Kochlowsky musterte den Spitz mit zusammengezogenen Brauen. Auge in Auge standen sie sich gegenüber, und Leo sagte dumpf: »Das zahle ich dir noch heim, du Bastard! Komm her!«
Er zeigte auf seine Schuhspitzen, und der Hund gehorchte, kam heran und legte sich ihm zu Füßen.
»Er liebt dich auf der Stelle«, sagte Sophie fröhlich, als sie jetzt ins Zimmer kam. »Sieh dir das an, Leo: er weiß genau, daß er dir gehört.«
Sie trug Wanda ins Kinderzimmer, band sich dann die spitzenbesetzte Festtagsschürze um und eilte in die Küche. Im Backofen bruzzelte die große Gans, gefüllt mit Äpfeln, Korinthen und Rosinen, so hatte es sich Leo gewünscht. Auf Mecklenburger Art.
Kochlowsky wartete, bis Sophie in der Küche war, schloß dann die Wohnzimmertür, ging zu dem mit rotem Plüsch bezogenen Sofa, setzte sich und klopfte auf die Sitzfläche neben sich. »Hierher!« rief er gedämpft. »Platz, du Sauhund! Komm …«
Der Spitz stellte die Ohren, sah Kochlowsky zögernd an, setzte dann zum Sprung an und landete neben ihm auf dem Sofa. Sofort legte er sich, drückte die spitze Schnauze auf Leos Oberschenkel und atmete tief durch. Es war ein erschütternder Seufzer aus tiefster Brust.
Kochlowsky legte die eine Hand auf den Kopf des Hundes, kraulte das dichte, wollige weiße Fell und kämmte mit den gespreizten Fingern der anderen Hand seinen schwarzen Bart. Sein Zorn, dieser verdammte, immer aufbrechende, unkontrollierbare und ihn dann beherrschende Zorn war verflogen von dem Moment an, als ihn die Augen des Hundes anblickten. Im Leben des Leo Kochlowsky gab es drei Wesen, die ihn weich werden ließen wie Wachs über einer Flamme: ein Pferd, ein Hund und eine Katze. Nie und nimmer ein Mensch! Da gab es nur Ausnahmen – eine davon war sein kleines Frauchen Sophie und natürlich seine Tochter Wanda … All die vielen schönen Frauen, die er bisher besessen hatte, fielen nicht darunter; sie bestätigten ihm nur, daß die Treue eines Hundes höher einzuschätzen war als der Schwur einer Frau. Blandine Rechmann, das rote Luder im Försterhaus, hatte das erneut bewiesen.
»Wir passen gut zusammen«, sagte Kochlowsky jetzt und streichelte den Kopf des Spitzes. »Immer um sich beißen … dann weiß jeder, wie er sich zu benehmen hat. Hier bist du richtig, mein Kleiner.«
Wenn jemand in der fürstlichen Küche von Schaumburg-Lippe gelernt hat und in der Schloßküche von Pleß von Bismarck gelobt worden ist, dann kann man ihm zutrauen, einen Gänsebraten zuzubereiten, bei dem die Seele und der Gaumen lachen. Kochlowsky wußte, welche Künstlerin am Herd sein kleines Frauchen war, aber zum erstenmal in seinem Leben aß er einen Gänsebraten von ihrer Hand, und er aß so viel davon, daß es ihm nachher unmöglich war, den Tisch zu verlassen.
»Ich kann nicht mehr aufstehen«, sagte er und lachte dabei dröhnend. »Mein Liebling, ich habe mich
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